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Grolar (German Edition)

Grolar (German Edition)

Titel: Grolar (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thorsten Nesch
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»Scheiße«, sagte Ray, »Scheiße, hier hinten an der Stoßstange klebt auch was. Was für eine Scheiße, Mann, Dick.«
    Sie inspizierten den Boden hinter dem Ford. Selbst Jon konnte die dunklen Blutspuren sehen, die durch das Gebüsch in den Wald führten. Spritzer auf Steinen und auf Blättern. Ausgerissene Wurzeln von Sträuchern und gebrochene Äste markierten übermannshoch eine Spur, die sich zwischen den Bäumen verlor.
    »Hat der Grizzly ihn stehend in den Wald gezogen?«, fragte Jon.
    »Niemals. Die ziehen nichts im Stehen«, antwortete Ray.
    Abwechselnd riefen sie nach Dick, die Hände fest um ihre Waffen gekrampft.
    Alles, was sie hörten, war das Summen der Insekten und das Rauschen der Blätter.
    »Rein?«, fragte Andy mit einem Nicken Richtung Wald. Seiner zu hohen Stimme war anzuhören, dass er nicht darauf versessen war.
    Ray schüttelte den Kopf, »Erst einmal zurück, damit die Bescheid wissen.«
     
     
Im Wohnwagen herrschte eine Atmosphäre neuer Hoffnung. Bewaffnet konnten Jon und die anderen der Gefahr ins Auge blicken, ohne dass sie ihr wehrlos ausgeliefert waren. Mit den Gewehren vergrößerte sich ihr Handlungsspielraum, sie brauchten sich nicht mehr länger nur ängstlich über ihre Schulter umschauen, sie konnten selbst etwas unternehmen, und sie wollten Dick finden – wenn möglich, bevor es zu spät war. Obwohl Jon dabei ein ungutes Gefühl hatte.
    Dabei war es ihm gleich, ob er mit in den Wald gehen sollte. Es müsste allerdings bald geschehen, jede Sekunde zählte.
    Tara war anderer Meinung, »Du solltest bei uns bleiben, bei Cliff.«
    »Ich muss ...«
    »Jemand muss!«, korrigierte sie ihn.
    »Versteh doch, je eher ...«
    »Du ...«
    Ray konnte ihnen nicht länger zuhören, »Mir reicht's, wir losen.«
    Er zog eine Schublade an seinem Schreibtisch auf.
    »Wozu?«, fragte Tara, »oder besser, lost unter euch Dreien. Ihr habt keine Kinder.«
    »Marten hat zwei Mädchen«, sagte Ray, während er eine Schachtel Streichhölzer in der Hand schüttelte.
    »Wie alt sind sie?«, fragte sie.
    Marten antwortete, »Achtzehn und zwanzig, eh.«
    »Jon, du bleibst.«
    Wenn das alles so einfach wäre, dachte er. Ihm war es wirklich egal. Auf der einen Seite hatte er die Verantwortung für seine Familie, auf der anderen Seite die Verpflichtung vor seinen Kollegen, seinem Team. Teamplayer musste man sein, wenn man in der Wildnis überleben wollte, und wenn man etwas erreichen wollte! Er hörte die Worte von Ray bei einem der Vortreffen in seinem Kopf. Außerdem diente es auch der Sicherheit seiner Familie, sollten sie die Bärin finden und erschießen.
    Deswegen sagte er, »Wir sind hier alle zusammen drin.«
    »Manche nur ein bisschen tiefer als andern«, sagte Tara.
    »Wegen mir kann er hier bleiben«, sagte Marten.
    »Wegen mir auch«, sagte Andy, der bis dahin still geblieben war.
    Kelly umarmte und küsste ihn auf den Hals wie bei einem französischen Film. Das wollte er wohl nur, sie beeindrucken.
    »Nichts da, zwei kurze, zwei lange Streichhölzer. Wer will als Erster ziehen?«, fragte Ray und hielt die vier roten Schwefelköpfe von sich weg. Auf einer der abgeknickten Hälften kaute er herum.
    »Jugend vor Schönheit, eh«, sagte Marten. Niemand verzog darüber das Gesicht, auch er nicht.
    Andy zog.
    Lang.
    Kelly jubelte, als hätte sie auf der Kirmes ein Stofftier gewonnen. Sie hielt sich selbst den Mund zu.
    Jon guckte Marten an, »Dann bin ich wohl dran.«
    Sein Daumen wanderte die roten Schwefelköpfe auf und ab, als könnte er die Länge des Streichholzes spüren.
    Er zog.
    Kurz.
    Tara kehrte ihnen den Rücken zu und ließ ihn mit dem sauren Gefühl im Magen allein.
    Marten zog.
    Kurz.
    »Gehen wir, Kumpel«, sagte Marten emotionslos und, als wollte er Jon etwas Gutes tun, Richtung Tara, »wir sind gleich wieder da.«
    Sie rührte sich nicht.
    »Viel Glück«, wünschten die anderen ihnen.
    »Bis gleich«, sagte Jon an alle und niemanden gerichtet, und dann flüsterte er es Cliff noch einmal ins Ohr, wie man seinem Sohn ein Geheimnis zuflüstert.
    Cliff lächelte und nickte, die Hand seiner Mutter haltend.
    Mit dem Bild vor Augen folgte er Marten aus dem Wohnwagen.
    Unter ihren Sohlen knirschte der Dreck, und

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