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Grolar (German Edition)

Grolar (German Edition)

Titel: Grolar (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thorsten Nesch
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sah Tara die beiden Männer wie Wachen vor dem Trailer stehen. Cliff saß am Schreibtisch in der Büroecke des Wohnwagens und malte mit einem Kugelschreiber auf Kopierpapier. Eilig öffnete Kelly eine kleine Schranktür nach der anderen.
    »Was tust du da?«
    »Wonach sieht das aus?«, fragte Kelly zurück. Als hätte sie die Frage erwartet.
    Jung, dumm und frech, dachte sich Tara und hätte sie am liebsten nachgeäfft, stattdessen sagte sie, »Nach Suchen.«
    »Richtig.«
    »Wonach?«
    »Nach dem Salz.«
    »Salz, wozu ...«
    »Gold. Das Gold, irgendwo muss er es haben. Hier im Wohnwagen. Bei sich hat er es nicht. Dann könnte der Alte nicht so rumspringen.«
    Das junge Ding wollte das geschürfte Gold finden? Während Jon und dieser Marten im Wald nach der Leiche ihres Kollegen suchten? Wahrscheinlich beobachtet von einer angeschossenen Bärin.
    Sofort krampfte sich wieder ihr Magen zusammen. Sie warf einen Blick auf Cliff, der Jon so ähnlich sah. Auf all den Bildern aus seiner Kindheit, wo er so alt war wie ihr Sohn jetzt, könnte man meinen, sie wären Zwillinge oder jemand hätte mit einem Computerprogramm einen Effekt auf das Foto gelegt, damit es älter aussah.
    Gerade zeichnete Cliff verloren in seiner eigenen Welt, mit seiner Nase beinahe das Papier berührend. Sobald sie wieder in Vancouver wären, würde sie seine Augen testen lassen.
    Eine Schranktür knallte zu.
    »Du suchst das Gold?«
    »Ja.«
    »Warum?«
    »Ehrlich gesagt, die Scheiße mit Dick ist echt freaky. Was weiß ich, was passiert. Nicht dass unsere Helden Schiss kriegen und abhauen. Da will ich wenigstens wissen, worauf ich ein Auge werfen soll, wenn es so weit ist.«
    »Wirst du auch beteiligt?«
    »Andy ist meine Beteiligung. Möchte nur ganz sichergehen. Alle Männer sind Schweine, stimmt's?«, sie warf einen Blick auf Cliff, der nichts mitbekommen hatte, und schickte ein »Sorry« hinterher.
    Andy hatte ihr erzählt, wie Tara Jon genannt hatte, nachdem sie den Wodka stehen gelassen hatte.
    Seit Jon weg war, malte ihr Sohn wie versessen, als könnte er einen Schutzwall um sich malen.
    Jetzt waren die Schubladen dran. Kelly ging sehr systematisch vor, fast routiniert.
    »Wo würdest du das Gold verstecken?«, fragte sie, während sie in die hinterste Ecke einer Schublade linste.
    Mit der Frage hatte sich Tara noch nicht beschäftigt, aber es war auch eine willkommene Ablenkung von der Warterei. »Unter meinem Kopfkissen.«
    »Shit«, sie knallte die letzte Schublade zu und schaute Tara an, »meinst du?«
    »Ja, oder unter der Matratze, unter meinem Bett, da würde ich es aufbewahren.«
    Mehr zu sich sagte Kelly, »Ich taste mit meinen Fingern nicht durch dem seinen angetrockneten Sp...«
    »Aah!«, machte Tara und stoppte sie mit einer Handbewegung. Bevor Kelly weiter ins Detail gehen würde, wollte sie das Gespräch auf etwas anderes lenken, »Ich glaube nicht, dass Jon abhauen würde.«
    Sie setzte sich auf die Arbeitsplatte neben der Spüle, und weil sie ihre Schultern nach vorne bog, wölbten sich ihre Brüste noch deutlicher.
    »Nein, da hast du recht, Jon nicht, der nicht. Mit dem hast du einen echten Treffer gelandet. Guckt mir noch nicht mal auf die Titten, wenn ich mit ihm rede. Sonst schaffen das nur Jungs, die ein gelbes Band mit drei schwarzen Punkten um den Oberarm tragen. Ich würde es nicht sagen, wenn es nicht so wäre. Glückwunsch.«
    Cliff malte mit schnellen, ausladenden Armbewegungen etwas aus.
    »Danke«, sagte Tara wenig begeistert.
    Kelly war noch so jung. Was wusste sie von einem echten Treffer? Was war für sie ein Treffer? Jeder, der mehr als ein One-Night-Stand war? Was war für sie selbst in ihrem Alter ein Treffer gewesen? Anfang zwanzig geht es nur um Spaß, um etwas zu erleben, Verrücktheit.
    Sie selbst war damals mit ihrem Freund mit dem Motorrad nach Tofino gefahren, von Vancouver aus, sie hatten im Wald gezeltet, am Strand, und keine Angst gekannt. Vor wem auch? Vor was? Die Zukunft war die nächste Kurve oder – als sie in Tofino waren – die nächste Welle.
    Sie surften den Sommer durch, monatelang, verloren ihre Jobs auf Granville Island, wo sie sich kennengelernt hatten. Aber das war ihnen egal, und sie trennten sich im Winter am Boxing Day. Vorbei war's – nur die Erinnerung an den Sommer blieb,

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