Grolar (German Edition)
betreten hatten. Beide hatten sich wie besprochen verhalten, wie eine Patrouille in Vietnam, zumindest stellte es sich Jon aufgrund all der Filme, die er darüber gesehen hatte, so vor.
Marten drehte sich um, »Du guckst mir über die Schulter und ich über deine, eh.«
»Okay.«
Jon fand, Marten, der Native, passte hier hin, mehr als er, mehr als alle anderen, eingeschlossen Ray. Neben Marten hatte er ein gutes Gefühl. Er schien zu wissen, wie man sich in diesem grünen Dschungel bewegte, und er war es, der den Blutspuren gefolgt war, auch als Jon sie schon nicht mehr auf dem Boden und an den Blättern gesehen hatte. Das war eine Tatsache, kein Klischee. Marten mochte in Gastown aufgewachsen sein, trotzdem wusste er einiges über die Natur.
»Siehst du noch Bluttropfen?«, fragte Jon.
»Nicht mehr, seit zwei Stopps.«
Jon traute sich nicht einmal, in Martens Gesicht zu schauen, daher wusste er auch nicht, ob der ihm beim Reden in die Augen schaute. Sie vertrauten darauf, sich gegenseitig den Rücken freizuhalten. Es fühlte sich an, als wären sie unsichtbare Geister, die mit der Luft redeten.
»Sollen wir die Suche abbrechen?«, fragte Jon, auf eine positive Antwort hoffend.
»Ich überlege. Wie sieht es mit dir aus?«
»Wegen mir.«
»Ein paar Meter weiter ist ein umgestützter Baum, der Große hinter mir, siehst du?«
»Ja.«
»Da würde ich gern noch nachschauen, im Dickicht.«
»Gut.«
Äste raschelten und klapperten aneinander, sie fuhren herum. Ein Rabe flatterte auf und streifte die Baumkronen. Die beiden entspannten sich.
»Weiter geht*fs«, sagte Marten.
Manchmal huschten kleine Nagetiere vor ihnen in Sicherheit. Insekten stoben auf, wenn sie Büsche und Farne zur Seite drückten.
Jon wünschte sich, sie wären auf dem Rückweg, er wäre gerne bei Cliff und Tara, alles wäre gut gegangen, und sie hätten nichts gefunden. Stattdessen bewegten sie sich tiefer in den Wald hinein, kratzten Äste über seine Hände, über die Jeans und rissen an den Ärmeln seiner Jacke. Mehrmals musste er sein Baseballcap richten. Das Metall des Gewehrs war feucht und warm, so fest umklammerte er es. Moskitos, die sich an seine Wangen hefteten, rieb er sie mit der Schulter weg.
Kurz vor dem umgestürzten Baumstamm blieb Marten wieder stehen.
Durch seine enorme Größe hatte der Baum bei seinem Sturz vor nicht allzu langer Zeit eine breite Schneise geschlagen und ein gutes Dutzend Bäume halb entwurzelt. Nun steckten sie in dem Boden, wie aus allen Richtungen geschossene Riesenpfeile.
Marten räusperte sich, und im gleichen Moment sah Jon ihn auch. Er konnte seinen Blick nicht von dem blutigen Bündel abwenden, das dort zwischen dem Geäst im Halbdunkel lag. Es kribbelte in seinem Nacken, und er zwang sich dazu, sich umzuschauen, nur um wieder auf den Klumpen Kleidung und Fleisch zu landen. Es war, als hätte jemand am Dimmer seiner Sinne gedreht. Er hörte kaum noch etwas und sein Blick glich dem durch einen Tunnel.
Sein Verstand wusste, was Hose und was Jacke war, aber wie alles da lag, konnte er sich nicht vorstellen, wie verdreht der Körper sein musste. Er war froh, das Gesicht nicht erkennen zu können. Der Kopf war noch dran, aber er konnte nicht sehen, was vorne oder hinten war. Ein halber Arm fehlte, ebenso ein Bein und sein Bauch. Alles dunkel von Blut und hell von Gedärmen.
»Jesus Maria«, flüsterte Marten dreimal hintereinander bekreuzigte sich.
Über Jons Lippen kroch ein Schmerzenslaut, als hätte ihm jemand einen Splitter aus dem Fuß gezogen. Wut mischte sich mit seiner Angst, ein animalischer Hass auf die Bestie, die offenbar weiterhin angeschossen um das Lager streifte und auf eine Gelegenheit wartete, seine Kollegen und seine Lieben zu töten.
In dem Moment ratterte im Camp der Rüttler los. Erschrocken fuhren sie herum.
»Was?«, brachte Marten nur raus.
»Sind die verrückt geworden!«
»Verdammt.«
»Wir hören so nichts. Und die noch weniger. Zurück, wir müssen sofort zurück.«
Jetzt ging Jon selbst vor, so schnell er konnte, am liebsten wäre er gelaufen. Äste brachen unter ihnen, egal wie laut es war, er wollte so schnell wie möglich bei Cliff und Tara sein. Die Augen starr geradeaus gerichtet auf den Streifen Wohnwagen, der hin und wieder wie ein Hoffnungsschimmer zwischen den Baumstämmen
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