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Grolar (German Edition)

Grolar (German Edition)

Titel: Grolar (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thorsten Nesch
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deutete auf die Zeichnung, »war er so groß wie ein Auto?«
    »Größer.«
    »Wie ein Pick-up?«
    »Ja, wie ein Pick-up.«
    »Wie unser Ford.«
    »Ja, unser Ford. Ja.«
     
     
Ray blieb das erste Mal stehen. Bis dahin war er, so schnell es der Waldboden zuließ, hinter dem Bären hergelaufen, wobei er der von ihm geschlagenen Bresche folgte, ohne ihn zu Gesicht zu bekommen, denn das Tier lief nicht in einer geraden Linie vom Lager weg, sondern in Kurven.
    Störende Zweige, die gebrochen aber nicht abgerissen schlaff an ihren Holzfasern herunterbaumelten, drückte er mit seinem Gewehr zur Seite. Manche peitschten zurück, einige brachen ab. Und genau das machte ihm jetzt zu schaffen. Wenn dieser Albino Grizzly nicht die meiste Zeit auf zwei Beinen durch den Wald lief, was er sicherlich nicht tat, dann handelte es sich bei ihm um ein unglaublich großes Tier. So viel war sicher.
    Die von ihm ins Gebüsch und Geäst gezogene Schneise würde – bereinigt um die angebrochenen Zweige – einen einspurigen Tunnel für Autos gleichen.
    Wolken schoben sich vor die Sonne, einzelne Lichtinseln am Waldboden verschwanden.
    Ray blieb stehen und hielt die Luft an. Das Summen der Insekten schwoll an, weil ihn die aufgescheuchten Moskitos und Fliegen eingeholt hatten.
    Sowohl vor ihm im Wald als auch hinter ihm im Lager herrschte Stille, soweit er das beurteilen konnte, denn das dichte Buschwerk schluckte viele Geräusche.
    Jemand hatte die Anlage abgestellt, die würde er ansonsten hier noch hören können. Das war ein gutes Zeichen. Das bedeutete, Marten und Jon hatten es zurückgeschafft.
    Angestrengt suchte er das Grün und dessen Schatten nach der Bestie ab. Dann hörte er den schauderhaften Schrei von Andy irgendwo vor sich, gefolgt von einem hysterischen Kreischen.
    Er lebte noch.
    Jede Sekunde zählte, und deswegen hetzte Ray los, mit dem Gewehr schussbereit vor sich in den Tunnel zielend. Würde der Bär vor ihm auftauchen, er würde einfach abdrücken, bis das Magazin leer war, auch wenn er schon reglos am Boden liegen sollte. Das hatte ihm Marten mal vor Jahren geraten, als ein Bär um das Lager am Venom Peak geschlichen war.
    Eine weitere umgestürzte Fichte versperrte ihm den Weg, ein 100-jähriger Stamm. Auch wenn die Stelle, wo der Albino den Baum überwunden hatte, klar erkennbar war, konnte er sich dahinter links und rechts davon im Schutze der Äste leicht verstecken. Ray presste den Kolben fest gegen seine Schulter, den Zeigefinger auf dem Abzugshahn, und näherte sich langsam. Er zielte knapp über den Stamm.
    Nichts rührte sich, nichts zu hören. Die Rinde borkig wie ein altes Krokodil aus einer anderen Zeit, etliche frische Furchen zogen sich durch das Holz.
    Und tatsächlich: Durch einen vorsichtigen Schritt vorwärts kroch ein Stück weißes Fell in sein Sichtfeld.
    Hinter seiner Stirn schien es zu vibrieren, wie der Sand auf dem Rütteltisch. Es kribbelte. Ein Knoten formte sich in seinem Magen, und seine Lippen wurden taub.
    Ray verharrte vier Meter vor der toten Fichte, unschlüssig, was er tun sollte. Weitergehen und schießen? Sobald sich die Bestie aufrichtete? Oder ihn jetzt reizen, damit er hochkommt?
    Vier Meter Abstand, das reichte für drei Schüsse, schneller sind Bären nicht, so rechnete er es sich aus.
    Er lächelte bei dem Gedanken, dass ihn ein solches Tier nicht so leicht überlisten konnte, dass er, der Mensch, Ray, der Natur, dem Bären überlegen war und im besten Fall nicht nur Andy das Leben rettete, sondern auch das Biest erlegte.
    Die Mulde in seiner Schulter schmerzte schon von dem ausgeübten Druck mit dem Kolben. Für den Rückschlag musste die Shotgun fest anliegen. Jederzeit schussbereit.
    Mit Genugtuung bemerkte er, dass er noch nicht einmal zitterte in einer solchen Situation.
    Auf die Brust, er würde auf die Brust zielen, auf das Herz, die Lunge, zum Schluss der Kopf, erst wenn er schon am Boden lag. Vom Kopf konnten Kugeln zu leicht an der Schädeldecke abprallen, zu harmlosen Streifschüssen und Fleischwunden führen, die der Bär in den Sekunden, bis er Ray erreichen würde, nicht mal spürte.
    Gut, dachte er sich, und atmete leise durch den Mund ein und stieß dann die Luft aus in einem lauten, »Hah!«
    Nun zitterte die Mündung seines Gewehrs vor nicht entladener Anspannung. Das Tier hatte sich keinen

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