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Grolar (German Edition)

Grolar (German Edition)

Titel: Grolar (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thorsten Nesch
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Bärin zurück in den Wald floh, verletzt, tödlich verletzt von ihnen. Und er erlöste sie.
    Er schnaubte blutigem Schleim aus.
    Oben an der Rampe angekommen, sah er einen breiten, von ihnen geschaffenen Pfad durch den Wald.
    Das war das Gute: Alle diese breiten Pfade führten zu ihnen.
    Auch im Dunklen.
     
     

 
    Freitag
     
     
     
     
     
Mit seiner Schulter zerquetschte Jon einen Moskito, der ihn in die Wange gestochen hatte. Er lehnte mit der Schulter am Fenster, das er einen Spalt breit aufgezogen hatte, damit er sich nicht allein auf seine Augen in der Dunkelheit verlassen musste. Er war froh, dass sich der Himmel aufgeklart hatte und der Mond und die Sterne ihr altes Licht auf das Gelände warfen.
    Jetzt, nach Mitternacht befiel die Wildnis eine eigene Stille, verstärkt durch die seltenen Rufe einer Eule jenseits des Sees.
    Pfeilschnell schossen die Fledermäuse durch die Nacht auf ihrer Jagd nach den Fliegen, Schnaken und Moskitos, die nach dem starken Regen wieder in dichten Wolken durch die frische Luft schwärmten. Aus der Entfernung sahen die Fledermäuse selbst aus wie Insekten, wenn man nicht wusste, wie weit weg sie ihre Kurven und Haken flogen.
    In dem fahlen Licht lag die Goldwaschanlage da wie ein ausgeträumter Traum, verblasst und kaum erkennbar. Sie waren nahe dran gewesen. Sie hatten alles richtig gemacht, das richtige Team zur richtigen Zeit am richtigen Ort.
    Das hatte niemand vorhersehen können, was passiert war, dafür konnte Tara ihm unmöglich die Schuld geben. Sie musste zugeben, dass es finanziell die absolut richtige Entscheidung gewesen war, bei diesem Job einzusteigen.
    Wie würde es jetzt weitergehen? Die Pacht lief auf Ray. Der war verschwunden. Sie müssten heute Mittag erstmal raus und in ein Motel in Whitehorse einchecken. Dann die Warterei, bis die Ranger das Tier erlegt hatten. Wie lange konnte das dauern?
    Auch musste geklärt werden, was mit Dick und mit Ray und Andy passiert war. Jon schluckte bei dem Gedanken, dass er die beiden innerlich wirklich schon abgeschrieben hatte.
    Die Polizei würde kommen, Spezialisten, wahrscheinlich auch Journalisten. Alle würden mit ihnen sprechen wollen, den Überlebenden vom Seashore Claim. Sie müssten ihre Geschichte erzählen. Könnten sie Geld für ihre Story von der Presse verlangen? Das gab es doch.
    Ein Knacken im Wald. Es war ein Geräusch, dem kein anderer Mensch in der Welt Bedeutung geschenkt hätte. Zu jedem anderen Moment wäre es so belanglos gewesen, wie das Hupen eines Autos in einer Großstadt. Heute Nacht wurde es zu einem Ereignis.
    Natürlich blieb es danach wieder still hinter der dunklen Wand, die vierzig Meter rechts von ihm den Waldrand markierte.
    Wann wohl die Untersuchungen abgeschlossen waren? Wann sie wohl wieder ins Camp dürften? Während der Jagd nach dem Bären und den Obduktionen – wenn es denn mehrere waren – wollte er sich mit Marten darum kümmern, dass der Claim auf sie übertragen wurde. Sie müssten auch die Maschinen übernehmen und Marten hatte gemeint, er würde Rays Bruder in Saskatoon benachrichtigen. Außerdem bräuchten sie drei neue Kollegen. Aber anstatt sie zu beteiligen, würde er ihnen ein Gehalt zahlen. Alles oder nichts. Dann könnte Marten und er den Gewinn einstreichen und teilen und nächstes Jahr wiederkommen, vielleicht noch einen zweiten Claim dazupachten, expandieren. Wenn ihnen genug Zeit blieb in dieser Saison.
    Sobald der Sommer vorbei war, würde er mit Cliff und Tara in den Urlaub reisen, in den Süden, wo es warm war. Mexiko, ein Fünf Sterne Ressort am Strand, mit Kinderbetreuung. Alles könnte gut werden, es war noch nichts verloren, noch nicht alles.
    Ein Bellen.
    Nur einmal. Nicht weit weg. Lucky!
    Abermals das Bellen.
    War er bei Ray? Kam Ray zurück?
    Er lehnte sich vor, dass sein Mund und seine Nase nach draußen ragten, »Ray?«
    Er sprach den Namen mehr aus, als dass er ihn rief.
    Ein Bellen als Antwort.
    War der Hund bei seinem Herrchen? Ray? Wollte Lucky sie zu ihnen rufen? Ihn holen? Hilfe holen?
    »Lucky!«, rief er lauter, aber nicht aus vollem Hals, um nicht die Schlafenden aufzuwecken.
    »Daddy!«
    Jon fuhr erschrocken um.
    Zu spät.
    Cliff stand im Flur und rieb sich die Augen.
    »Cliff, geh ins Bett.«
    Wieder das

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