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Gromek - Die Moral des Toetens

Gromek - Die Moral des Toetens

Titel: Gromek - Die Moral des Toetens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lutz
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verständigt.«
    Gromek nickte. Er umfasste den Griff des Messers, welches in der
Muskulatur seines Oberarms steckte, biss die Zähne zusammen und zog es mit
einem Ruck wieder heraus. Eine heiße Welle durchfuhr seinen Arm und verebbte im
Schulterbereich. Gromek schwankte. Der Schmerz war stärker, als er erwartet
hatte. Lisa hatte seinen Arm bereits abgebunden und versuchte nun, die Blutung
zu stoppen. Gleichzeitig sah sie sich um, bis ihr Blick auf eine Ansammlung von
Flaschen neben der Kochstelle fiel.
    »Genau das habe ich gesucht«, murmelte sie und griff nach einer
Flasche Wodka.
    Gromek setzte sich auf einen der Küchenstühle. Knopf für Knopf
öffnete Lisa sein Hemd und zog es ihm behutsam aus. An ihren knappen, sicheren
Bewegungen erkannte er, dass sie genau wusste, was zu tun war. Widerwillig -
und ärgerlich über seine Fehleinschätzung, was Holtz betraf - ließ Gromek sie
gewähren. Sie legte seinen Arm auf den Tisch, öffnete die Wodka-Flasche und goss
den Alkohol direkt über die Wunde.
    Ein weiteres Stöhnen drang aus Holtz' Kehle. Blut, dünn wie ein
Stück Garn, sickerte seitlich aus seinem Mund. Seine Augen waren geschlossen.
Als würde er schlafen, dachte Lisa, einen schrecklichen Schlaf mit einem
schrecklichen Traum, der ihn gefangen hielt und nicht wieder loslassen würde.
    »Jetzt erklären Sie mir mal eins«, verlangte Lisa. »Warum wollte Holtz
Sie, einen ehemaligen Kollegen und Weggefährten, so plötzlich töten?«
    Gromek antwortete nicht. Er sah zu, wie Lisa den Verband vorbereitete.
Dann blickte er zu Alexander Holtz, der mühsam versuchte, seinen Kopf in ihre
Richtung zu drehen.
    »Chronisches Misstrauen, würde ich sagen. Ist aber als Berufskrankheit
noch nicht anerkannt.«
    Gromek begann zu fluchen.
    »Dieser Idiot! Wir kannten uns seit über 20 Jahren. Und trotzdem
konnte er sich wohl beim besten Willen nicht vorstellen, dass ich ihn am Leben
lassen wollte ...« Lisa presste den Verband auf Gromeks Arm, wickelte ihn
mehrere Male herum und befestigte ihn schließlich mit einem festen Knoten. »Ich
weiß nicht, was hier gespielt wird«, fuhr Gromek leiser fort, »aber es sieht
aus, als würden alle Fäden in der Sektion-4 -Zentrale
zusammenlaufen. Was immer da faul ist - ich werde es herausfinden.«
    Holtz' Lider begannen zu flackern, als hätten Gromeks Worte ihn
noch ein letztes Mal aus dem tödlichen Schlaf aufgeweckt. Einige Sekunden lang
irrten seine müden Augen umher, ehe sie gefunden hatten, was sie suchten.
    »Du hättest mich getötet«, widersprach er heiser. »So oder so. Du
wirst auch sie ... nicht am Leben lassen«, prophezeite seine schwach gewordene
Stimme.
    Stumm suchte Gromek den Blick seines ehemaligen Kollegen, während
Lisa ihm das Hemd wieder anzog, was ihm an sich unangenehm war. Doch die Frage,
wie Holtz noch im Angesicht des Todes so starrsinnig sein konnte, verdrängte
das Gefühl, von einer fremden Frau angezogen zu werden wie ein kleines Kind.
Dutzende von Gedanken drängten sich in seinem Kopf, unausgesprochene Sätze, die
nicht vollendet wurden, weil sie keinen Sinn ergaben oder einfach nur, weil keine
Zeit dafür war. Er beugte sich zu Lisa.
    »Wir nehmen ihn mit«, begann er mit gesenkter Stimme. »Wenn wir
...«
    »Wenn wir was?!« schnitt Lisa ihm das Wort ab. »Er ist nicht
transportfähig, verdammt! Woher auf einmal diese Unprofessionalität ...?! Er
wird es nicht überleben. Die einzige Frage, die sich für uns jetzt stellt, ist
die, ob er lange genug am Leben bleiben wird, um von denen, die ihn finden,
noch verhört zu werden.«
    Holtz, dem nach der ersten Schock-Reaktion seines Körpers zunehmend
bewusster wurde, dass er starke Schmerzen hatte, versuchte zu grinsen: »Ja,
nehmt mich mit«, keuchte er. »Schleift meinen Kadaver durch unser nettes
kleines Treppenhaus und bestellt den lieben Nachbarn ...«
    »Hör endlich auf!« fuhr Gromek ihn an.
    »Ich habe ... euch aber noch was ... «
    Lisa wurde ungeduldig. »Gromek!« mahnte sie scharf. »Wir müssen
hier weg, und zwar sofort!«
    »Er will uns noch etwas ...«
    »Scheiß' d'rauf, er versucht nur, uns hinzuhalten!«
    Holtz hustete. Blutige Tropfen sprühten von seinen Lippen und regneten
auf die Küchenfliesen.
    »Wenn Du noch was zu sagen hast« - ärgerlich stieß Lisa ihm einen
Fuß in die Seite, gerade stark genug, um Holtz stöhnend zusammenzucken zu
lassen - »dann rede endlich!«
    »Ver...dammt!« ächzte Holtz, während ihm ein Schwall dunklen Bluts
über das Kinn lief.
    Gromeks

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