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Große Ferien

Große Ferien

Titel: Große Ferien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Bußmann
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hatten ihm nachgesehen. Das wusste er. Doch hatte er sich nichts anmerken lassen, war nicht stehengeblieben, wenn ein Auto neben ihm bremste, einer jener von den Eltern geschenkten, an kurzer Motorhaube stumpf gerundeten Kleinwagen für Schritte verlangsamte, angeschoben nur noch von der stampfenden Radiomusik, fast zum Halten kam und aus dem herabgelassenen Fondfenster einer vor ihn hinspuckte. Aufjohlend beschleunigten sie. Fort um die Kurve, als er sich bückte über den weißen Auswurf an seinem Schuh. Nur das im Schaufenster der Fahrschule aufgestellte Mädchen sah zu ihm herab, während er sich bückte und wischte. Sorgfältig ausgestanzt, angeblaut fiel ihr das Haar in sonnenbeschienenen Wellen auf die Schultern. In ihrem Rücken bräunten sich die Klöppelgardinen. Den Daumen in die Höhe gereckt, strahlte sie über das ganze Gesicht.
    Man darf nicht denken, einer wie Schramm hätte nichts als seine Berechnungen im Sinn, Versuchsanordnungen, wie sie nur im Unbelebten vorkommen. Er wusste, wie geflüstert wurde, merkte, wenn geschwiegen wurde, weil er zu einer Gruppe Beisammenstehender hinzutrat, doch ließ er sich nichts anmerken. Krankgeschrieben, gab er an, wenn man sich begegnete, über die Hecke hinweg, vor den Kühlregalen in der Nahkauffiliale. Etwas Ernstes, fragte Frau Klaußner von gegenüber und reckte den Kopf, um in seinen Einkaufswagen zu sehen. Krankgeschrieben, würde sie ihrem Mann berichten, seit Wochen schon. Der billigste Kaffee, Dosenmilch und ein halbes Dutzend Flaschenbiere, ewig kann einer das nicht so machen, früher oder später wird das ein Nachspiel geben.
    Auch dem Bruder würde er nichts erzählen, es mit ihm zu besprechen wäre ganz bestimmt keine gute Idee. Der Bruder erführe, bliebe er für einige Tage, genügend von allein, vom Bruder könnte oder müsste sogar erwartet werden, dass er sich auf seine Seite schlüge, der Bruder wusste, wie es ist und was es bedeutet, wenn die Kamera auf eine Hauswand schwenkt, im Fenster ein Gesicht erscheint, eine an den Rahmen gestützte Hand hinter wehenden Gardinen, der Bruder wusste, wie schnell es dann gehen kann, dass sich alles gegen einen verschwört. Und nur weil Schramm Bier kaufte, musste keiner etwas Falsches denken, das Bier war für die Schnecken gedacht. Es gab zu viele davon. Entlang der Grasgrenze glitzerten ihre Spuren, ihre schwingend an den Spitzen der Halme entlang gesponnenen Fäden, verfangen in den Poren des Betons. Einmal in der Kindheit hatte er einen ganzen Ballen von ihnen gefunden, in dem Winkel des Gartens, wo er sich als Junge so gern aufgehalten hatte, hinter dem vom Vater bei irgendeiner angefangenen Arbeit angelegten Erdhügel. Schaum schwitzend, ästen sie am verendeten Käfer, eng um seinen Panzer geschmiegt, bloß noch die Enden seines Geweihs staken aus dem Haufen hervor. Eine Umhegung gebaut hatte Schramm, Stöcke und Steine geschichtet, dicht aneinandergelegt, in der festen Annahme, die Tiere blieben, wenn man ihn wieder ins Haus geholt hätte, wenigstens bis zum nächsten Morgen an ihrem Platz. Aber sie verbargen sich am Tag und fraßen im Dunkeln, sie suchten und fanden die jüngsten Pflanzen und richteten Schaden an. Er streute Linien aus Kalk zur Abwehr, er stellte Fallen auf. Frisch muss das Bier sein, damit es die Tiere machtvoll anlockt mit seinem Duft, der Topf tief genug in die Erde versenkt, so dass sie ungehindert bis an den Rand kriechen können, fallen und ertrinken darin.
     
    Ganz gleich, wie geschwätzt und geflüstert wurde über Schramm, vor und hinter seinem Rücken über seine Mutter und ihn, über Waidschmidt und ihn, nichts davon traf auf diese von Zweck und Zufall bestimmten Verhältnisse auch nur annähernd zu. Nur zuletzt waren die Dinge hässlich verlaufen, doch gerade daran mochte Schramm jetzt nicht denken. Beim Versuch, ein Auto anzuhalten, war Waidschmidt aufgegriffen worden, kurz vor dem für die mündlichen Prüfungen angesetzten Termin. In nasser Kleidung, zittrig und zerrauft. Offenbar für Tage gelaufen, ohne Schlaf, Nahrung, Wasser, einfach nur gelaufen war er. Insgesamt mussten seine Angaben wirr, sein Gesamteindruck bedenklich gewesen sein. Und als man ihn in die Klinik brachte, sollte er sich einverstanden, ja, begeistert gezeigt haben.
    Wir wissen nicht, was der andere denkt. Häufig wissen Menschen nicht einmal, was sie selber denken. Kein neuer und kein schwieriger Gedanke, aber ein richtiger. Und im Reden ändert einer nichts daran, im Reden ändern auch zwei

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