Große Kinder
Altersstufe nicht nur sich selbst, sondern auch den anderen als Menschen kennen, sie erfahren, wo seine Stärken liegen, was dem anderen Spaß macht, was ihm zuzumuten ist und wo seine Grenzen liegen.
Die Frage »Wer bin ich und wer bist du?« ist für Kinder diesen Alters untrennbar mit Statusdenken verbunden. Manche Erwachsene finden das ganz furchtbar, aber für Kinder ist es enorm wichtig, ob der Vater einen neuen BMW fährt oder einen älteren VW, ob man zu Hause einen oder mehrere Computer und Fernsehapparate hat. Bei jüngeren Schulkindern sind vor allem auch der Status der Eltern sowie die Größe und Einrichtung der Wohnung wichtig. Bei den älteren Kindern gleitet die »Bewertung« dann stärker zu »persönlicheren« Statussymbolen über wie Modebekleidung oder Fahrradmarke.
Diese Bewertungen sind insofern notwendig, weil Kinder ein Maß für die Einschätzung von Menschen brauchen. Da sie aber aufgrund ihres Alters innere Charaktereigenschaften noch nicht bewerten können und auch noch nicht begreifen, dass ein Kind nichts »dafür kann«, wenn die Eltern arm oder reich sind, oder dass die Nationalität nichts über die Qualität eines Menschen aussagt, stützen sie sich auf diese äußeren Merkmale.
Das ist nichts Neues, obwohl viele Erwachsene glauben, dass dies eine typische Erscheinung unserer modernen Konsumwelt sei. Jeder kann sich an die Zeit seiner eigenen Kindheit erinnern, als irgendwelche Äußerlichkeiten herangezogen wurden, um über die Qualität eines Kameraden zu richten. Grausam manchmal! Kinder ahnen aber noch nicht, wie sehr solche Bewertungen verletzen können.
Unsere Welt ist nun mal, ob wir das wollen oder nicht, in verschiedene soziale Schichten aufgeteilt. Ehe man das bewertenund auch dagegen rebellieren kann (typisch für das Jugendalter!), muss man die Unterschiede erst einmal wahrnehmen, ganz dick herausstellen und seinen eigenen Standort kennen lernen.
Entscheidend dafür, dass diese Bewertungen nicht auf Dauer bleiben, sind auch hier wieder vor allem das Vorbild der Erwachsenen und ihre korrigierenden Richtlinien, die sie den Kindern vermitteln müssen. Wenn Kinder sich nicht bedrängt, beschimpft und verurteilt fühlen – weil die Erwachsenen wissen, dass Kinder von selbst eines Tages so weit herangereift sind, dass sie Dinge wie auch Menschen aus einer anderen Perspektive sehen können –, werden sie ihre Ohren aufsperren, genau hinsehen, ob die Erwachsenen so denken, wie sie sprechen, und zu gegebener Zeit ihre Haltung ändern.
Und wie seid ihr?
Die Beziehung zu den Erwachsenen
M arion Gräfin Dönhoff, Herausgeberin der
Zeit
, ist in großer Freiheit und relativ unbehelligt durch »Erwachsenpädagogik« auf einem Gut in Ostpreußen aufgewachsen. Sie drückt ganz unverblümt aus, was sie als Kind von Erwachsenen hielt:
Wir waren im Grunde froh, daß man sich um uns verhältnismäßig wenig kümmerte, denn wir waren uns selbst vollauf genug. Auch hatten wir immer etwas vor. Unternehmungen, von Erwachsenen geplant, wären nur störend gewesen.
(Dönhoff, S. 116)
Obwohl Altersgenossen für große Kinder die wichtigsten Kontaktpersonen sind, spielen die Erwachsenen im Leben der Kinder selbstverständlich eine ebenfalls sehr wichtige Rolle. Aus Sicht der Kinder gibt es gewissermaßen vier Kategorien von Erwachsenen:
Zunächst sind da die Eltern und die anderen zur Familie gehörenden, nahe stehenden Erwachsenen. Sie stehen bildlich gesprochen »hinter« den Kindern. Dann gibt es die Lehrer, die ihnen tagaus, tagein »gegenüberstehen«. Weiterhin spielen Erwachsene eine Rolle, denen die Kinder gelegentlich, aber immer wieder begegnen: Eltern der Freunde, Freunde der Eltern,Verkäuferinnen, Arzt, Krankengymnastin, Hausmeister. Und schließlich haben die fernen und unerreichbaren Idole, die weit draußen in der Welt stehen, für große Kinder große Bedeutung.
Jede dieser vier Gruppen spielt für die Entwicklung der Kinder eine besondere Rolle.
Die Eltern sind wichtig, um den Kindern Rückhalt zu geben. Sie müssen dafür sorgen, dass das Elternhaus der Ort ist, wo sich das Kind in eine schützende Geborgenheit zurückziehen und Kräfte tanken kann. Eltern sind für regelmäßige und verlässliche Strukturen im Leben der Kinder zuständig und dafür, dass das Kind in seinen Grundbedürfnissen versorgt ist.
Leider ist das in unserer Gesellschaft nicht mehr selbstverständlich: Viele Kinder bekommen keine regelmäßige Mahlzeiten mehr, kennen
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