Große Kinder
die Eltern, geht es also darum, sich in der Kunst zu üben, Kinder unbeaufsichtigt zu lassen, ohne sie aus den Augen zu verlieren.
Acht-, Neunjährige sind dem Kleinkindalter endgültig entwachsen. Damit sind auch nicht mehr die Eltern allein für die seelische und körperliche Gesundheit der Kinder verantwortlich. Erwachsene, die außerhalb des Elternhauses stehen, müssen Wege finden, damit sich die Kinder in unserer Gesellschaft frei und ungehindert und ihren natürlichen Bedürfnissen entsprechend entwickeln können: Lehrer, Sozialpädagogen, Stadtplaner, Politiker ...
Viele Kinder, vor allem Mädchen, haben Angst davor, sich draußen in der freien Natur, dort wo Spielen nicht ausdrücklich »vorgesehen« ist, ohne Aufsicht zu bewegen. Sie übernehmendie Angst der Erwachsenen, dass Kindern, die nicht beaufsichtigt werden, etwas zustoßen könnte. Besonders Mädchen wird vermittelt, dass draußen zu spielen gefährlich sei, weil Sexualtäter auf der Lauer liegen könnten. Dabei ist es fraglos gefährlicher, wenn ein Mädchen allein auf einem städtischen Spielplatz ist, als wenn drei oder vier Mädchen gemeinsam am Waldrand in Rufweite von Erwachsenen ein Lager bauen. Andererseits: Ein Mädchen allein würde sich auf einem Spielplatz auch nicht wohl fühlen und lieber nach Hause gehen. Aber weniger aus Angst vor einer möglichen Gefahr, sondern vor allem, weil Alleinsein in diesem Alter furchtbar unbehaglich ist.
Es geht also darum, Kindern einen Rahmen zu schaffen, in dem sie sich sicher fühlen, in dem sie sich aber auch zusammen mit möglichst vielen Altersgenossen ungehindert und ohne Überwachung frei bewegen können.
Die Erwachsenen ihrerseits müssen zwar die Sicherheit haben, dass sich die Kinder in einem
relativ
geschützten Rahmen bewegen, sie müssen aber auch lernen, den Kindern zuzugestehen, dass sie gemeinsam mit den Risiken umgehen können, die dort auftauchen, wo die Erwachsenen nicht mehr alles unter Kontrolle haben.
Natürlich können und sollten vor allem die Eltern versuchen, ihren Kindern die bestmöglichen Entwicklungsbedingungen zu schaffen. So könnten sie zum Beispiel so oft wie möglich mit ihren Kindern
und
deren Freundinnen oder Freunden rausgehen an einen Platz in der freien Natur, wo die Kinder ungestört und uneingeschränkt auf Abenteuersuche gehen, ihre Geheimnisse aushecken und ihre Bewegungslust austoben können. Die Eltern sollten dabei idealerweise so weit weg sein, dass sie nicht »stören«, andererseits so nah da, dass die Kinder sie auch in ihrer Nähe wissen und sie bei Bedarf rufen könnten.Das ist wahrscheinlich sogar der Weg, der den natürlichen Bedürfnissen der acht-, neunjährigen Kinder am besten entspricht: mit den selbst gewählten Freunden die gemeinsam ausgeheckten Ideen in einem weitgehend unbeschränkten Gelände zu verwirklichen und dabei die Erwachsenen für alle Notfälle in erreichbarer Nähe zu wissen.
Außerhalb der Familie werden bereits verschiedene Formen der Kinderbetreuung unter Leitung von Sozialpädagogen, Erziehern und anderen Fachleuten angeboten. Zwar sind gerade die Kinder zwischen 7 und 12 noch immer das Schlusslicht in der öffentlichen Sorge. Für sie gibt es weitaus die wenigsten Angebote. Aber das Problem ist erkannt und die Profis versuchen trotz aller Sparmaßnahmen gegenzusteuern. Das Dilemma ist, dass sich die Angebote dabei meist auf »soziale Brennpunkte« beschränken. Das ist zwar berechtigt, trotzdem brauchen Kinder der so genannten besseren Schichten ebenso die Ermutigung zur Spontaneität und Lebendigkeit, wie die normalerweise recht lebendigen Kinder der benachteiligten sozialen Schichten die Anregung zu »geordneter« Beschäftigung brauchen.
Das sind entgegengesetzte Interessen und Bedürfnisse, die schwer unter einen Hut zu bringen sind. Dazu kommt, dass die Kinder häufig in Gruppen zusammengewürfelt werden, die nicht die »ihren« sind, und viele Kinder deshalb oft wenig Lust haben, die Angebote wahrzunehmen.
Zum Beispiel die »Freizeitgruppen«, die von verschiedenen Institutionen angeboten werden: Sie sind häufig so klein und werden so schwankend besucht, dass die Kinder selten eigene und natürlich wechselnde Freundescliquen bilden können, in denen sie sich auch einmal von den anderen abkapseln und ihren eigenen Bedürfnissen und Ideen nachgehen können. Zudem ist es mit dem unbeschränkten Spiel- und Entfaltungsraumauch in offenen Freizeitgruppen normalerweise nicht so weit her: Weil die Zeit zu kurz
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