Große Kinder
zusammenleben: die Gemeinschaft der Lehrerinnen und Lehrer, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Eltern an Schulen.
Fazit:
Verhaltens auffälligkeiten
von Kindern mit 8, 9 Jahren sind entwicklungsbedingt und wachsen sich unter normalen Bedingungen aus.
Verhaltens
störungen
in diesem Alter aber sind zumindest
auch
umweltbedingt und werden, wenn wir die Lebensbedingungen der Kinder nicht verändern, immer schlimmer werden.
Ich finde meinen Platz
Die »Zehnjährigen«
D ie anstrengende Phase des Acht-, Neunjährigen ist bei jedem gesunden Kind eines Tages zu Ende. Irgendwann hat es sich eindeutig »ausgegoren«. Eltern sind ganz überrascht, wenn sich ihr zehnjähriger Sohn oder ihre zehnjährige Tochter plötzlich wieder ganz zutraulich und ohne das geringste Anzeichen von Hemmungen auf den Schoß des Vaters oder der Mutter setzen. Einfach so, als hätte es nie etwas anderes gegeben. Die Nähe der Eltern kann auf einmal wieder in aller Ruhe genossen werden, vorausgesetzt, die Eltern sind genießbar ...
Einzelne Elemente der Phase, die im Folgenden beschrieben wird, tauchen dagegen oft schon vor dem 10. Geburtstag auf und dauern bis ins Jugendalter an – und gelegentlich kommen selbst Erwachsene in manchen Bereichen nie über die Entwicklungsphase des Zehn- bis Zwölfjährigen hinaus.
Im Gegensatz zur soeben durchgestandenen chaotischen Zeit wirken die Kinder auf einmal geradezu gesetzt – zeitweilig! So seriös, dass der amerikanische Kinderpsychologe Arnold Gesell, der zwischen etwa 1938 und 1955 Kinder von der Geburt an bis zum 15. Lebensjahr sehr genau beobachtet und ihre Entwicklung beschrieben hat, im Zehnjährigen das vorweggenommene Bild des Erwachsenen sah. (Wobei er den Erwachsenen im Gegenschluss als eine in sich ruhende, harmonische Persönlichkeit gesehen haben muss.)
Offenkundig haben in Europa schon früher Kinder um 10 Jahre herum auf die Erwachsenen einen augenfällig vernünftigen, »erwachsenen« Eindruck gemacht, sonst wären die Pädagogen und Schulpolitiker vor mehreren Generationen nicht auf die Idee gekommen, im Alter von 10 Jahren das Ende der Grundschulzeit anzusetzen und damit in diesem Alter eine Vorentscheidung für den weiteren Lebensweg des Kindes zu treffen.
Das bedeutet nun keineswegs, dass Kinder, die 9, 10 oder 11 Jahre alt sind, auf einmal jede kindliche Lebhaftigkeit verlieren würden. Ganz und gar nicht! Aber sie sind souveräner – sogar in ihren Grenzüberschreitungen, also dem Unfug, den sie treiben. Und in ihrer durchaus sprudelnden Lebendigkeit sind sie spürbar harmonischer und ausgeglichener, auch ansprechbarer, als vielleicht ein halbes oder ein ganzes Jahr zuvor.
Der Kampf gegen die Erwachsenen mit ihren Vorschriften, Geboten und Verboten ist zwar – hoffentlich – nicht verloren, nicht durch Kapitulation beendet, aber er ist jetzt kein Thema mehr, er wird sozusagen ohne Verhandlungen bis auf weiteres ausgesetzt – von gelegentlichen kleinen Scharmützeln einmal abgesehen.
Zehnjährige wenden sich
ihrer
Welt zu und auch dort warten Auseinandersetzungen. Das ist jetzt noch wichtiger als das Sich-Reiben an den Erwachsenen. In diese Welt der großen Kinder haben Erwachsene sowieso keinen Zutritt, also kann man sie getrost dort lassen, wo sie hingehören: an den Rand der Kinderwelt und des Kinderlebens. Dort sind sie gut aufgehoben, von dort kann man sie bei Bedarf auch heranholen und sich ihnen zuwenden, von dort vermitteln sie sogar Schutz und Geborgenheit. Aber aus dem eigentlichen Kinderleben haben sie sich gefälligst herauszuhalten, dort würden sie nur alles durcheinander bringen und fürchterlich stören! Innerhalb derKinderwelt nämlich sprießt ein eigenständiges Leben – dort wo es noch unbehindert sprießen kann.
Das wichtigste und schönste, anregendste und belebendste Element in dieser Welt der großen Kinder sind die Altersgenossen: der einzelne Freund, die einzelne Freundin und vor allem die Gemeinschaft der Gleichaltrigen.
Erst etwa Zehnjährige sind zu einem echten »Wir-Gefühl« fähig, können sich als Teil einer Gemeinschaft von Gleichen erleben und sich in Gemeinschaftsaufgaben einfügen. Und so wie Dreijährige nach überstandener Trotzphase sich ganz und gar und voller Vergnügen dem »Training« ihrer körperlichen Fähigkeiten hinzugeben scheinen, so scheinen Kinder, die mit etwa 10 Jahren aus der »kleinen Pubertät« herausgewachsen
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