Große Kinder
ist und zu wenig Frei-Raum zur Verfügung steht, kommen die Kinder gar nicht erst ins eigene spontane Spiel – was die meisten Kinder in unserer Gesellschaft ja ohnehin erst wieder lernen müssten. Folglich müssen auch in so genannten offenen Gruppen feste (Unterhaltungs-)Programme angeboten werden – was allerdings immer noch besser ist als gar nichts.
Dann gibt es die Ferienfreizeiten mit genügend Kindern, genügend Raum und auch genügend Zeit, um allen Bedürfnissen gerecht zu werden. Ein Ferienaufenthalt mit vielen fremden Kindern aber überfordert Acht- und meistens auch noch Neunjährige: Sie müssen sich ja erst einmal in einer vertrauten Gruppe zurechtfinden. Ferien sind aber zu kurz, um in einer zusammengewürfelten Kinderschar heimisch werden zu können. Wenn die Kinder am Ende der Ferien wieder auseinander gehen, zerreißen die geknüpften Netze und die gefundenen Standorte zerrinnen unter den Füßen. Dann sind die Kinder wieder auf sich selbst zurückgeworfen und müssen wieder von vorn anfangen, ihren Platz, ihren Halt und ihre Beziehung zu anderen Kindern zu finden.
Trotz all dieser Bedenken soll die sinnvolle vorbeugend-bereichernde Arbeit der vielen Freizeitgruppen keineswegs abgewertet werden. Vor allem das Konzept der Pfadfinder, mit dem seit mehreren Generationen auf der ganzen Welt positive Erfahrungen gesammelt werden, scheint für die Arbeit mit Kindern zwischen 8 und 13 sinnvoll zu sein: Dort werden die Gruppen der jüngeren Kinder von älteren Kindern und Jugendlichen betreut, wodurch die Unabhängigkeit, Eigenverantwortung, Selbstsicherheit und Improvisationsgabe der Kinder – und der betreuenden Jugendlichen! – besonders angeregt werden.
Schließlich soll die Hortbetreuung als Freizeitprogrammnicht vergessen werden. Schülerhorte wurden zwar ursprünglich nicht gegründet, um Kindern eine möglichst freie, unbewachte und eigenverantwortliche Freizeit zu ermöglichen, sondern ganz im Gegenteil, um die allzu große Freiheit der so genannten Schlüsselkinder einzuschränken. Dennoch sind es oft gerade Schülerhorte, wo sich Kinder sehr wohl fühlen, weil sie dort regelmäßig genügend Altersgenossen treffen, mit denen sie genau das spielen können, was sie im Moment am meisten »brauchen«, weil sie relativ frei ihren Bewegungs- und Erlebnishunger stillen können (vorausgesetzt, die Erzieher sorgen für den entsprechenden Rahmen). Im Idealfall sehen die erwachsenen Betreuer ihre Aufgabe darin, die Kinder weniger zu »erziehen« und in feste Tagesabläufe einzuschmieden, als vielmehr für die Kinder und ihre Freizeitbedürfnisse da zu sein.
Horte und Ganztagsschulen werden in der Regel politisch gefordert, um Müttern eine Berufstätigkeit zu erleichtern. Es ist also wieder einmal zunächst ein Bedürfnis von
Erwachsenen
, das hinter diesen Forderungen steht. Deshalb ist zu befürchten, dass in absehbarer Zeit diese Einrichtungen bei uns nicht so ausgestattet werden, dass sie in erster Linie die wirklichen Lebensbedürfnisse der
Kinder
berücksichtigen. Horte werden meist nicht ernst genommen und Ganztagsschulen gelten nach wie vor vor allem als »Schulen«, in denen Kinder Unterricht bekommen, in denen sie etwas lernen und gut beaufsichtigt werden sollen.
Mittlerweile stimmen Pädagogen und Therapeuten, die eng mit Kindern zusammenleben und deren Wünsche, Entsagungen und Enttäuschungen kennen, darin überein, dass wir einen konsequenten Schritt weitergehen müssen, um Kindern eine altersgerechte, gesunde und freie Entwicklung zu ermöglichen.
Früher war der natürliche Raum, in dem sich Kinder aller Schichten mit all ihren unterschiedlichen Interessen, Bedürfnissen, Fähigkeiten und Begabungen begegneten, das Dorf oder der Stadtteil. Dort haben sie sich – nach der Schule – gefunden und zusammengeschlossen oder voneinander abgegrenzt, je nach Bedarf. Diese Form von immer währendem, täglichem, öffentlichem Kinderleben gibt es in unserer Gesellschaft so gut wie nicht mehr. Immer während und täglich begegnen sich Kinder aller sozialer Schichten mit ihren unterschiedlichen Interessen, Fähigkeiten und Begabungen bei uns nur noch und ausschließlich in der Grundschule. Die Schule ist zum Ort des »öffentlichen«, gemeinsamen Kinderlebens geworden. Und Kinder fordern
gemeinsames Kinder-Leben
an ihren Schulen ein. Das ist zumindest ein Teil ihrer Rebellion und Unruhe.
Warum sollte man das nicht ernst nehmen und Konsequenzen daraus ziehen? Wie wäre es
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