Große Kinder
...
Und dennoch ist Verlass darauf, dass die erwachsenen Betreuer den Rahmen bestimmen, der den Kindern bei aller Freiheit »draußen« Halt und Sicherheit gibt: klare Regeln innerhalb des Hauses, feste Essenszeiten, bestimmte Arbeiten, die jedes Kind zu erfüllen hat, und rücksichtsvolle Umgangsformen.
Zwischen den alterstypischen Lebensthemen und Verhaltensweisen der »Zehnjährigen« und »Zwölfjährigen« ist mir bislang keine charakteristische Zwischenstufe aufgefallen. Auch die meisten Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass sichzwar im Alter zwischen 10 und 12 Jahren viel weiterentwickelt, dass aber keine besondere,
eigene
Zwischenetappe zu beobachten ist. So sind Kinder, die etwa 11 Jahre alt sind, oft kaum anders als »Zehnjährige«, etwas reifer natürlich, und oft kündigen sich schon mit 11 Jahren die Wesensmerkmale an, die für die »Zwölfjährigen« typisch sind. Deshalb gibt es kein eigenes Kapitel über Lebensthemen und Verhaltensmerkmale der »Elfjährigen«.
Ich beherrsche die Welt
Die »Zwölfjährigen«
I
n diesem Winter gelang mir in der Schule ein großer Wurf.
Mein Essay über Leonardo da Vinci, Raffael und Michelangelo beurteilte Fräulein Bloch als den besten, den je einer ihrer Schüler geschrieben hatte ...
Janina David war Ende 1941 etwa 11 ¾ Jahre alt, als ihr dieser große Erfolg glückte (David, S. 270)
Am 29. Juni 1992 war im
Berliner Tagesspiegel
unter der Rubrik »Leute« zu lesen:
Im Moment scheint der blonde, sommersprossige Junge jedenfalls einer der aktivsten Schüler Berlins zu sein. Benni ist zwölf ...
Der Schülertreff ist »nur eine Idee« von Benni. Sonst macht er nämlich noch bei Greenteam, bei der »S.A.U.«, bei den Falken, bei der Kinder-Nachrichtensendung »Kick« sowie beim Büro »Kids beraten Senator« mit und gibt außerdem eine eigene Zeitschrift heraus ...
In der Lebenswelt der großen Kinder ist man als Zwölfjähriger Experte: Man hat seinen Platz gefunden, weiß, wo man innerhalb der Gruppe der Gleichaltrigen steht – die auch weiterhinein wichtiger Stützpunkt bleiben wird –, aber man will eigene, spezielle Bereiche dieser Lebenswelt ganz für sich erschließen und sich ausprobieren. Es ist wieder, wie bei etwa Fünfjährigen, ein Alter der »Spezialisten«, und nicht selten liegen hier die Wurzeln zur späteren Berufswahl. Und es ist wieder ein Alter, in dem man ausprobieren möchte, »so wie die Erwachsenen« zu sein.
Wenn man die Augen offen hält, findet man unter etwa 12 Jahre alten Kindern tatsächlich ausgesprochen aktive, engagierte, fachkundige Mädchen und Jungen, und zwar nicht nur bei den besonders Begabten, wie man vielleicht aus den beiden Zitaten oben und den Berichten über die zwölfjährigen mathematischen und musikalischen »Wunderkinder« schließen könnte.
Auch die ganz »normalen« Zwölfjährigen werden, wenn sie die Gelegenheit dazu bekommen, gern »Profis«: Vor einigen Jahren waren die zwölfjährigen Jungen noch Moped-Experten, die Nachmittage lang an ihren Fahrrädern und Mopeds herumgebastelt haben, mit denen sie natürlich auch herumgefahren sind, obwohl es den Mopedführerschein erst mit 15 gibt. In der Generation meiner Eltern waren es die Radios, die von den Jungen auseinander und wieder zusammenmontiert wurden. Und heute sind Zwölfjährige Computer- und Multimediafreaks, die ihren Vätern zeigen, wo’s langgeht.
Unter Zwölfjährigen gibt es traumhaft sichere Jonglierer, Skateboardakrobaten, wurfsichere Basketballer, versierte Mountainbiker, verblüffende Zauberer (David Copperfield wurde mit 12 in die Gesellschaft amerikanischer Magier aufgenommen) usw.
Unter Zwölfjährigen grassieren daneben »Krankheiten«: Wie Süchtige können Kindergruppen – und es sind meistens Gruppen – dem Fußball- oder Tischtennisspielen, dem Skateboard-oder Rollerbladefahren, dem »tagen« oder Streetball verfallen sein. Ein, zwei Jahre lang machen Kinder diese »Gruppenkrankheiten« durch, dann ist der Spuk meistens vorbei.
Zwölfjährige haben manchmal ihre persönlichen Wissensgebiete, in denen sie unschlagbar sind: Die einen können auf Anhieb den Tabellenplatz jeder Fußballmannschaft mit aktuellem Torverhältnis nennen und wissen darüber hinaus die Ergebnisse (und Halbzeitergebnisse!) aller Spiele der laufenden Spielzeit. Andere erkennen beim ersten Ton die Musikstücke von allen aktuellen Musikgruppen, wissen die Titel und
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