Große Kinder
geschickt ausweichen oder ihn in der Luft fangen. Glauben Sie, dass es Erwachsene sind, die den finnischen Kindern dieses »Spielchen« beibringen? Ganz sicher nicht. Und ebenso sicher üben die finnischen Kinder dieses Spiel nicht in Gegenwart von Erwachsenen. Aber die finnischen Eltern haben offenbar die Kraft und die Gelassenheit, ihre Kinder freizulassen und ihnen zu vertrauen: Weil sie
ihre
Angst (um die Kinder) meistern, geben sie ihren Kindern die Möglichkeit, sich ihrerseits angstfrei und selbstsicher mit der Welt auseinander zu setzen.
Darüber hinaus können Eltern ganz praktisch den Bedürfnissen ihrer Tochter oder ihres Sohnes entgegenkommen, wenn sie nicht nur den einen besten Freund oder die eine besteFreundin, sondern gelegentlich auch mehrere Kameraden zu Freizeitunternehmungen mitnehmen – und dann nicht zu sehr »herumkommandieren«, sondern den Kindern zeigen, wie man richtig mit Gefahren umgeht, zum Beispiel mit Feuer, Wurfpfeilen, Pfeil und Bogen oder wie man richtig klettert.
Wunderbar wäre es für die Kinder, wenn Eltern die besten zwei, drei, vier Freundinnen oder Freunde der Tochter oder des Sohnes mit in die Ferien nehmen würden: Öfter ein paar Tage oder Wochen im Jahr immer im selben (wenn auch gemieteten) Ferienhaus in der Nähe, also in der Landschaft der eigenen Heimat, gemeinsam mit ein paar Alters- und Weggenossen, sind für Kinder zwischen 10 und 13 Jahren viel wertvoller als vier Wochen mit Papa und Mama in einem Ferienclub in Afrika.
Eines ist ganz sicher wichtig: Eltern sollten verhindern, dass ihre Kinder in die Hände von älteren Jugendlichen oder Erwachsenen geraten, die das natürliche Bedürfnis nach Gruppe und Abenteuer missbrauchen. Lieber sollten Eltern selbst die Gruppen unterstützen, die aus der natürlichen Nachbarschaft oder Schulgemeinschaft heraus entstehen. Nach wie vor müssen die Erwachsenen nämlich sehen, dass die Kinder – trotz aller Freiheit, die sie innerhalb
ihrer
Lebenswelt unbedingt brauchen – nur in bestimmten Grenzen ganz sich selbst überlassen werden können: So kann zum Beispiel ein unklarer Kontakt zu Erwachsenen oder älteren Jugendlichen bekanntlich dazu führen, dass Kinder unter einen verheerenden Einfluss geraten.
Grenzen brauchen Kinder in diesem Alter aber auch für selbständige Aktivitäten – für den Besuch von Großveranstaltungen zum Beispiel: Ein Zehnjähriger, der ohne Begleitung eines Erwachsenen zu einer Großveranstaltung gehen darf, istganz sicher überfordert. Das ist einfach noch »eine Nummer zu groß«, auch wenn das Kind noch so bettelt!
Und für die »Tages-Ordnung« gilt: Bei aller Freiheit, die sie »draußen« suchen, brauchen Kinder auch in diesem Alter noch die sichere Geborgenheit innerhalb der eigenen vier Wände. Wenn man viel allein erlebt, tut es gut, wenn man wenigstens bei einer gemeinsamen Mahlzeit ein bisschen davon erzählen und versteckte Fragen stellen kann. Aufgeschlossene Eltern hören dabei schon heraus, wenn da Sachen laufen, denen sie vielleicht doch nachgehen sollten.
Kinder brauchen neben ihrer Freiheit und neben der notwendigen Grenzziehung eben auch – gelegentlich – Hilfestellung und Anregung von Erwachsenen: Was man miteinander spielen, werken, machen kann, wie man etwas herstellt oder repariert, wie man fair miteinander umgeht, was es heißt, zu einer Sache zu stehen, die man »ausgefressen« hat, warum der Sturzhelm beim Skaten und Biken nichts mit Feigheit zu tun hat usw.
Was Kinder viel weniger brauchen, als manche Erwachsene annehmen, sind Beschäftigungsprogramme und Kurse, die sich Erwachsene überlegt haben. Was sie dagegen viel mehr brauchen, als wir oft wahrhaben wollen, ist die Bereitschaft von Erwachsenen, auf die Ideen, Anliegen und Fragen der Kinder einzugehen.
In der Schule könnte, wie schon bei den »Acht-, Neunjährigen« angesprochen, ein Tag in der Woche für freie Angebote genutzt werden, die sowohl den Abenteuer- und Erkundungsdrang der »Zehnjährigen« aufgreifen als auch ihrem Bedürfnis nach Gruppenerlebnissen und Werken und Basteln gerecht werden. Eine »Zirkus-AG«, in der Akrobatik, Einradfahren, Jonglieren, Messerwerfen usw. geübt werden, würde sicher bei Viert-und Fünftklässlern auf breite Zustimmung stoßen und ihrem Selbstbewusstsein gut tun. Auch Kampfsportarten, bei denen die Kinder (durchaus auch die Mädchen!) lernen, sich körperlich zu messen, ohne den anderen ernsthaft zu verletzen, sollten in dieser
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