Große Kinder
auf der ganzen Welt im Großen und Ganzen gute Erfahrungen gemacht, weil sie im Prinzip jedem Kind die Chance lassen, sich aus sich selbst heraus zu entwickeln. Und auch in Japan bleiben Kinder in den ersten neun Schuljahren nicht sitzen, und dennoch sind japanische Schüler und Schülerinnen zum Beispiel im naturwissenschaftlichen Denken in der Regel weiter als ihre deutschen Altersgenossen.
Körper und Sexualität
Trotz aller Offenheit, mit der heutzutage über Sexualität gesprochen wird, trotz aller Bilder, die Kindern und Jugendlichen ständig vor Augen geführt werden, trotz der Tatsache also, dass »Aufklärung« oder sexuelle Tabus heute kein Grund mehr sein können, dass Kinder nicht wissen, was auf sie zukommt, ist es doch immer noch für jedes Kind eine absolut einzigartige Entdeckung: Mein Körper verändert sich,
auch mir
wachsen Schamhaare,
auch ich
bekomme einen Busen,
auch mein
Penis wird größer.
Natürlich sind die meisten Jungen und Mädchen noch deutlich jünger, wenn sie erstmalig diese Entdeckungen machen. Aber viele Erwachsene (auch junge Erwachsene, die schon mit »offener« Sexualerziehung groß geworden sind) berichten,dass ihnen erst mit etwa 12 Jahren wirklich
bewusst
geworden ist, dass sie sich nun wirklich und unumkehrbar zum Erwachsenen entwickelten.
Viele Mädchen haben heute mit 12 Jahren (manche schon früher) ihre erste Menstruation. Jungen sind bekanntlich »später dran« mit ihrer körperlichen Reife, aber dennoch haben manche Jungen schon mit 12 den ersten Samenerguss, und in heutigen 6. Klassen beginnen einige Jungen schon deutlich mit der Stimme zu »kippeln«: Bei Zwölfjährigen bekommt das Thema Erwachsenwerden, körperliche Reife und Sexualität innerhalb der Gemeinschaft der Gleichaltrigen und für jedes einzelne Kind eine neue, wirklich hautnahe Bedeutung, weil die Veränderungen offenkundig sind und ringsherum sichtbar wird, dass der »Umbau« in seine turbulenteste und endgültige Phase tritt.
Die Veränderungen am eigenen Körper und in der eigenen Gefühlswelt führen dazu, dass die Kinder, Jungen wie Mädchen, sich sehr mit sich selbst beschäftigen. Es ist ja wirklich Neuland, das da auf einen zukommt, und da muss man sich erst einmal vorsichtig herantasten:
Mädchen beginnen heftig zu flirten und Jungen – mit Vorliebe ältere – zu umgarnen (das ist ihr »Spiel mit dem Feuer«). Normalerweise bewahren die Mädchen aber von sich aus noch die körperlich-sexuelle Distanz. Was wiederum nicht heißt, dass sie davor geschützt sind, von älteren Jugendlichen oder gar Erwachsenen verführt und missbraucht zu werden. (Hinterher behaupten dann die Männer, die Zwölfjährige hätte es darauf angelegt!)
Zwischen gleichaltrigen Jungen und Mädchen gibt es zwar auch intensive Annäherungen, aber der »Entwicklungsunterschied« zwischen zwölfjährigen jungen Damen und zwölfjährigen Buben ist normalerweise so groß, dass die Annäherungsversucheder Mädchen von den Jungen verschreckt oder ratlos – wenn auch geschmeichelt – abgewehrt werden und es in der Regel nicht zu einer engeren körperlichen Annäherung kommt. (Wenn Zwölfjährige, Jungen wie Mädchen, schon Erfahrung mit intimer Sexualität haben, sind fast immer Erwachsene im Spiel, die keinen Respekt vor der Intimsphäre von Kindern haben!)
Selbst in Kulturen wie denen Lateinamerikas, wo der Machismo geradezu verlangt, dass ein Junge früh seine Männlichkeit unter Beweis stellt, ist Sexualität bei zwölfjährigen Jungen zwar ein ganz wichtiges Thema – und Männer berichten, wie sie mit 12 Jahren »versucht« haben, mit gleichaltrigen Mädchen zu schlafen, aber selten hatten sie dabei Erfolg. Auch in diesem Bereich probieren Zwölfjährige eben aus, wie weit sie schon erwachsen sind – um festzustellen, dass es doch noch Grenzen gibt.
Jungen erproben ihre wachsende Potenz und ihre sexuellen Lustgefühle oft »im stillen Kämmerlein«, aber auch zusammen mit gleichaltrigen Freunden bei Geheimtreffen: Masturbation und homosexuelle Spiele mit Gleichaltrigen gehören und gehörten offenbar in allen Kulturen zu den Erlebnissen von Jungen in diesem Alter.
Die erwachenden körperlich-sexuellen Kräfte (Potenz heißt Kraft) sind für die Jungen etwas ungeheuer Aufregendes, Belebendes, manchmal aber auch Bedrohliches. Jeder Junge muss sich irgendwie mit seiner wachsenden Sexualität auseinander setzen, jeder Junge muss
sich
kennen lernen, muss
sich
ausprobieren und
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