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Große und kleine Welt (German Edition)

Große und kleine Welt (German Edition)

Titel: Große und kleine Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Emigrierte, der ehemalige Kamerad des Barons von Rouville, der mit ihm auf bruederlichem Fusse gelebt hatte, und meldete seinen beiden Freundinnen, dass er zum Kontreadmiral ernannt sei, da man ihm seine Landfahrten durch Deutschland und Russland als ebensoviele im Seedienst verlebte Jahre angerechnet habe. Als er das Bild sah, drueckte er mit Herzlichkeit die Hand des Malers und sagte: "Meiner Treu! Obgleich mein alter Leichnam nicht der Muehe wert ist, fuer die Nachwelt aufbewahrt zu werden, so wuerde ich doch fuenfhundert Louisdor geben, wenn ich mich ebenso getreu dargestellt sehen koennte, wie mein alter Rouville!"
    Bei diesem Vorschlag blickte die Baronin ihren Freund an, laechelte und liess auf ihrem Antlitz den Ausdruck eines Dankgefuehls erscheinen. Hippolyt glaubte zu erraten, dass ihm der alte Admiral den Wert fuer beide Bilder geben wolle, indem er das seinige bezahlte, und antwortete, weil sich sein Kuenstlerstolz, sowie auch vielleicht seine Eifersucht bei diesem Gedanken empoerte: "Mein Herr, wenn ich ueberhaupt Portraets malte, so wuerde ich dieses nicht gemacht haben…."
    Der Admiral biss sich auf die Lippen und setzte sich an den Spieltisch. Hippolyt blieb der Adelaide, die ihm ebenfalls eine Partie vorschlug, was er auch annahm. Der Maler bemerkte bei Frau von Rouville einen Eifer fuer das Spiel, der ihn ueberraschte. Nie hatte sie so sehr den Wunsch gezeigt, zu gewinnen, und sie gewann. Waehrend dieses Abends beunruhigte ein boeser Verdacht den Maler, stoerte sein Glueck und floesste ihm Misstrauen ein. Frau von Rouville lebte also vom Spiel. Spielte sie nicht in diesem Augenblick, um irgend eine Schuld abzutragen oder durch irgend eine Notwendigkeit gedraengt? Vielleicht hatte sie ihre Miete noch nicht bezahlt? Der Greis schien uebrigens schlau genug zu sein, um sich nicht um nichts und wieder nichts sein Geld abnehmen zu lassen! Welches Interesse konnte den reichen Mann in dieses arme Haus fuehren? Warum war er ehedem so vertraulich gegen Adelaide, und warum hatte er so ploetzlich den Vertraulichkeiten entsagt, die man sich vielfach von ihm gefallen lassen musste?—Diese Gedanken kamen ihm unwillkuerlich in den Sinn und veranlassten ihn, mit neuer Aufmerksamkeit den Greis und die Baronin zu beobachten. Ihre Blicke des Einverstaendnisses, die sie von der Seite auf Adelaide und ihn warfen, missfielen ihm. "Sollte man mich hintergehen?" dachte Hippolyt, und es war das fuer ihn ein schrecklicher, ein verletzender Gedanke, den er trotzdem nicht verscheuchen konnte. Um vielleicht eine Gewissheit zu erlangen, blieb er bis zuletzt. Er hatte hundert Sous verloren und seine Boerse gezogen, um Adelaide zu bezahlen. Doch von seinen peinigenden Gedanken ueberwaeltigt, legte er seine Boerse auf den Tisch. Als er aus seinem Nachdenken wieder erwachte, schaemte er sich ueber sein Schweigen, dachte aber nicht mehr an seine Boerse, sondern erhob sich, antwortete auf eine gleichgueltige Frage, die Frau von Rouville an ihn richtete, und trat ihr naeher, um beim Sprechen ihre alten Zuege besser pruefen zu koennen. Von einer peinigenden Ungewissheit ergriffen, entfernte er sich, doch war er kaum einige Stufen der Treppe hinabgeeilt, als er sich erinnerte, seine Boerse auf dem Tisch liegen gelassen zu haben, und er kehrte zurueck.
    "Ich habe meine Boerse bei Ihnen vergessen," sagte er zu Adelaide.
—"Nein …" anwortete sie erroetend.
    "Ich glaubte sie hier zu finden!" Er zeigte bei diesen Worten auf den Spieltisch, schaemte sich aber im Herzen des jungen Maedchens und der Baronin, als er seine Boerse nicht erblickte, und sah die beiden Frauen auf eine so verlegene Weise an, dass diese lachten. Dann erbleichte er und sagte: "Ach, nein, ich habe mich getaeuscht!… Ich habe die Boerse." Er empfahl sich und ging. In einem Abteil der Boerse befanden sich dreihundert Franken in Gold und in dem anderen einige kleine Muenzen. Der Diebstahl war so klar, auf eine so kecke Weise geleugnet, dass Hippolyt keinen Zweifel ueber die Moralitaet seiner Nachbarinnen mehr hegen konnte. Er blieb auf der Treppe stehen, stieg mit Muehe hinab, seine Beine zitterten, Schwindel ergriff ihn, kalter Schweiss trat ihm auf die Stirn, und er fuehlte sich ausserstande, zu gehen und die heftige Aufregung zu ertragen, die der Zusammenbruch aller seiner Hoffnungen in ihm hervorgerufen hatte.
    Er erinnerte sich jetzt einer Menge von Beobachtungen, die anscheinend geringfuegig waren, aber dennoch den schrecklichen Verdacht bestaerkten, der ihn

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