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Große und kleine Welt (German Edition)

Große und kleine Welt (German Edition)

Titel: Große und kleine Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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setzte sich an den Spieltisch, und Adelaide wollte mit ihm in Gemeinschaft spielen, indem sie vorgab, dass er das Pikett nicht verstehe und daher eines Partners beduerfe. Frau von Rouville und ihre Tochter gaben sich waehrend des Spieles Zeichen des Einverstaendnisses, die Hippolyt umsomehr beunruhigten, da er der gewinnende Teil war; zuletzt aber wurden die beiden Liebenden Schuldner der Baronin, und der Maler hob seine Hand empor, um Geld aus seiner Tasche zu nehmen. Da sah er ploetzlich eine Boerse vor sich, die Adelaide dort hingelegt hatte, ohne dass er es bemerkte; sie aber hielt seine alte Boerse in der Hand und nahm Geld daraus, um ihre Mutter zu bezahlen. Hippolyt fuehlte, wie ihm alles Blut zum Herzen stroemte und er nahe daran war, das Bewusstsein zu verlieren. Die neue Boerse, die ihm anstatt der alten gegeben war, enthielt sein Geld; sie war mit Goldperlen durchwirkt, und alles an derselben war ein Beweis von Adelaidens gutem Geschmack. Es war dies ein entzueckender Dank des jungen Maedchens. Es war unmoeglich, auf eine zartere Weise zu erkennen zu geben, dass das Geschenk des Malers nur durch ein Pfand der Zaertlichkeit belohnt werden koenne. Als Hippolyt im Uebermass seines Glueckes seine Augen auf Adelaide und die Baronin richtete, sah er beide vor Freude zittern und befriedigt, dass ihnen ihr Betrug so schoen gelungen war. Nun fand er sich selbst kleinlich, veraechtlich, albern und haette sich strafen moegen; aber ein paar Traenen traten ihm in die Augen, unwiderstehlich zwang ihn sein Herz, sich zu erheben, Adelaide in seine Arme zu nehmen, an seine Brust zu druecken, ihr einen Kuss zu rauben und dann mit der Aufrichtigkeit eines Kuenstlers zu der Baronin zu sagen: "Ich erbitte sie mir zur Gattin".
    Adelaide warf dem Maler einen halb zuernenden Blick zu, und Frau von Rouville suchte in ihrer Bestuerzung nach einer Antwort, als diese Szene durch ein ploetzliches Klingeln unterbrochen wurde. Der alte Admiral erschien, gefolgt von seinem Schatten und von Frau Schinner.
    Hippolyts Mutter hatte den Grund des Kummers erraten, den ihr Sohn ihr vergebens zu verbergen suchte, und bei einigen ihrer Freunde Erkundigungen ueber das junge Maedchen, das er liebte, eingezogen. Als sie dann in gerechte Besorgnisse durch die Verleumdungen ueber Adelaide versetzt war, hatte sie dieselben auch dem alten Emigrierten mitgeteilt, der in seinem Zorne sagte, dass er "den Neidhammeln die Ohren abschneiden werde". In seinem Zorneseifer verriet er Frau Schinner dann auch noch, dass er absichtlich beim Spiel verliere, weil der Stolz der Baronin es ihm nicht erlaube, sie auf andere Weise zu unterstuetzen.
    Als Frau Schinner Frau von Rouville begruesst hatte, blickte diese den
Kontreadmiral, Adelaide und Hippolyt an und sagte mit unaussprechlicher
Herzensguete: "Nun sind wir also heute abend im Familienkreise."

EHELICHER FRIEDEN
    Unsere Erzaehlung spielt in der Zeit, in der Napoleons vergaengliche Herrschaft den hoechsten Gipfel ihres Glanzes und ihrer Macht erreicht hatte. Es war gegen Ende des Monats November 1809. Der Kanonendonner und das Trompetengeschmetter der beruehmten Schlacht bei Wagram hallte noch im Herzen der oesterreichischen Monarchie wieder. Der Friede war zwischen Frankreich und den Maechten des Festlandes unterzeichnet, Koenige und Fuersten demuetigten sich vor Napoleon, der sich die Freude machte, ganz Europa in seinem Gefolge zu sehen und eine prachtvolle Vorfeier der Macht zu veranstalten, die er spaeter in Dresden entfalten sollte.
    Die Zeitgenossen behaupten, dass Paris nie schoenere Feste gesehen habe, als jene, die der Vermaehlung Napoleons mit einer Erzherzogin von Oesterreich vorangingen und ihr folgten. Nie hatten sich in den schoensten Tagen der aelteren Monarchie so viele gekroente Haeupter an den Ufern der Seine gedraengt, nie war die franzoesische Aristokratie reicher und glaenzender erschienen als damals. Diamanten waren mit einer solchen Verschwendung in Schmuckstuecken zur Schau getragen, Gold und Silber strahlte von so vielen Uniformen wieder, dass es schien, als waeren alle Reichtuemer des Erdballs in den Salons von Paris angehaeuft worden.
    Eine allgemeine Trunkenheit hatte sich gewissermassen des ganzen Reiches bemaechtigt, und alle Soldaten, den Herrn nicht ausgenommen, erfreuten sich als Emporkoemmlinge der Schaetze, die eine Million von Kriegern im Auslande zusammengerafft hatte.
    Einige Damen aus den hoeheren Sphaeren der Gesellschaft trugen damals jene leichten Sitten und jene

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