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Große und kleine Welt (German Edition)

Große und kleine Welt (German Edition)

Titel: Große und kleine Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Hofleute gelangt, und auf die Heiterkeit des Festes, das der Graf von Gondreville gab, hatte daher nur der eine Umstand Einfluss, dass Napoleon nicht erschien. Die schoensten Frauen von Paris hatten sich in den geschmueckten Salons eingefunden, um durch die Ueppigkeit ihres Schmuckes und ihrer Schoenheit vor den Augen des Kaisers zu glaenzen.
    Die auf ihre Reichtuemer stolze Finanzwelt ueberstrahlte die glaenzenden Generaele und hohen Offiziere des Kaiserreichs, die mit Kreuzen der Ehrenlegion und Titeln ueberhaeuft waren; denn solche Feierlichkeiten waren stets Gelegenheit, die von den reichen Familien ergriffen wurden, um ihre Erbinnen den Augen der napoleonischen Praetorianer vorzufuehren, in der Hoffnung, dass diese ihre Titel mit der prachtvollen Ausstattung der Erbinnen verbinden wuerden. Diejenigen Damen, die sich nur hinsichtlich ihrer Schoenheit stark wussten, erschienen ebenfalls, um die Macht ihrer Reize zu versuchen. Es war dort, wie fast ueberall, die Freude nur eine Maske. Die heiteren und lachenden Gesichter, die ruhigen Stirnen verdeckten gehaessige Berechnungen. Die Freundschafts- bezeigungen logen, und mehr als einer misstraute seinen Feinden weniger als seinen Freunden.
    Diese kurzen Bemerkungen sind bestimmt, nicht nur die kleinen Verwicklungen des Auftritts, der sich vor unseren Augen entfalten wird, zu verraten, sondern auch das Fest einigermassen kennen zu lernen, bei dem sie sich ereigneten. Zugleich wollten wir den Ton schildern, der damals in den Salons von Paris herrschte, und das bisherige darf daher gewissermassen nur als eine Vorrede oder als ein geschichtlicher Prolog betrachtet werden, den die andersgestalteten heutigen Sitten erforderten.
    * * * * *
    "Schauen Sie einmal nach jener gebrochenen Saeule, die einen Kandelaber traegt! Sehen Sie die junge Dame, deren Haar nach chinesischer Art geflochten ist? Dort, links in der Ecke! Sie hat blaue Glockenblumen in dem Busche kastanienbrauner Haare, die in Garben ueber ihren Kopf herabfallen. Sehen Sie sie nicht? Sie ist so bleich, dass man glauben sollte, sie sei krank. Sie ist eine allerliebste Kleine. Jetzt richtet sie die Augen gerade auf uns. Ihre blauen Augen, die mandelartig gespalten sind und suess zum Entzuecken, scheinen ganz besonders zum Weinen geschaffen. Aber sehen Sie doch! Jetzt beugt sie sich, um Madame Vaudremont durch die Masse von Koepfen hindurch zu erblicken, die in bestaendiger Bewegung sind und ihr die Aussicht abschneiden…."
    "Ja, jetzt habe ich sie, mein Lieber!… Du haettest sie mir nur als die bleichste von allen hier versammelten Damen bezeichnen sollen, so wuerde ich sie schon erkannt haben, denn ich habe sie bereits bemerkt. Sie hat den schoensten Teint, den ich je bewundert habe. Von hier aus duerftest Du wohl die weisse Haut ihres Halses nicht genau sehen koennen und die Perlen nicht, die die Saphire ihres Halsschmuckes unterbrechen. Aber von hier aus scheint es, als saehe man Tuerkise auf Schnee gesaet. Sie besitzt feine Sitten, oder ist sehr kokett. Welche Schultern! Welche Lilienweisse!…"
    "Wer ist es denn?" fragte jener, der zuerst gesprochen hatte. "Ich weiss es nicht."
    "Aristokrat! Sie wollen wohl alle fuer sich behalten…."
    "Das passt zu Dir, mich zu verspotten!" versetzte der Soldat laechelnd. "Glaubst Du das Recht zu haben, einen armen Oberst, wie ich bin, zu verspotten, weil Du als gluecklicher Nebenbuhler des armen Soulanges nicht eine einzige Pirouette machen kannst, ohne dass zugleich das Herz der Frau von Vaudremont tanzt? Oder deswegen, weil ich erst seit Monaten in dieses gelobte Land gekommen bin?… Ihr seid ein unverschaemtes Volk, ihr Verwaltungsbeamten, die Ihr auf euren Stuehlen sitzen bleibt, waehrend wir Kommissbrot essen muessen! Wohlan, Herr Requetenmeister, lassen Sie uns einmal das Feld rekognoszieren, in dem Ihr nicht eher wieder ruhig herrschen sollt, bis wir abgezogen sind! Was Teufel! Jedermann muss leben." "Oberst, da Sie mit Ihrer ganzen Aufmerksamkeit die schoene Unbekannte beehrt haben, die ich hier zum ersten Male bemerke, so haben Sie doch die Guete, mir zu sagen, ob Sie sie bereits tanzen sahen." "Ei! mein lieber Martial, was faellt Dir ein? Wenn man Dich als Gesandten abschickte, so moechtest Du wohl schlechte Geschaefte machen. Siehst Du nicht drei Reihen der unerschrockensten Koketten von Paris zwischen meiner huebschen Dame und dem glaenzenden Schwarm von Taenzern, der unter dem Kronleuchter summt? Hast Du Dich nicht der Hilfe Deines Lorgnons bedienen muessen,

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