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Große und kleine Welt (German Edition)

Große und kleine Welt (German Edition)

Titel: Große und kleine Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Lockerung der Moral zur Schau, die ehemals der Regierungszeit Ludwigs XV. den Stempel der Schande aufgedrueckt hatten. Wollten sie den alten Ton der gesunkenen Monarchie nachahmen oder wollten sie das Beispiel befolgen, das gewisse Mitglieder der kaiserlichen Familie gegeben hatten, wie einige Haeupter der Vorstadt Saint-Germain behaupteten, so viel ist gewiss, dass sich alle, Maenner und Frauen, mit einer Unerschrockenheit in den Strudel der Genuesse stuerzten, die an das Ende der Welt haette glauben lassen koennen. Allein es gab damals einen besonderen Grund fuer diese Freisinnigkeit. Die Vorliebe des weiblichen Geschlechts fuer die Krieger war zu einer Art von Wahnsinn geworden. Diese Begeisterung, die den Wuenschen Napoleons zusagte, wurde durch keine Zuegel gehemmt. Der Kaiser liess seinen Armeen selten Ruhe und die vorgeblichen Leidenschaften jener Zeit entwickelten sich daher mit einer ziemlich erklaerlichen Schnelligkeit; die Ehen wurden auf eine so rasche Weise eingegangen, wie das oberste Haupt der Kolbacs, der Dolmans und der Epauletten, von denen die Frauen so sehr entzueckt waren, selbst rasch in seinen Entscheidungen war. Die Herzen waren damals nomadisch, wie die Armeen. Die haeufigen Friedensbrueche, die alle zwischen Europa und Frankreich abgeschlossenen Buendnisse nur als Waffenstillstand erscheinen liessen, fuehrten ebenso haeufige Trennungen zwischen den Kriegern und ihren Gattinnen herbei. In der Zeit von einem ersten bis zu einem fuenften Bulletin der grossen Armee sah sich daher manches Weib als Braut, Gattin, Mutter und Witwe.
    War es die Aussicht auf eine nahe Witwenschaft, die Aussicht auf Mitgift, oder die Hoffnung, den Glanz eines historischen Namens zu teilen, durch welche die Krieger so verfuehrerische Reize fuer das weibliche Geschlecht erlangten? Wurde das schoene Geschlecht durch die Gewissheit, dass die Toten das Geheimnis der Leidenschaften nicht ausplaudern koennen, zu den Kriegern hingezogen? Oder muss man die Ursache fuer jenen suessen Fanatismus in dem edlen Reize suchen, den der Mut fuer das weibliche Geschlecht besitzt?
    Vielleicht waren es diese Gruende zusammengenommen, die der kuenftige Geschichtsschreiber der Sitten des Kaiserreichs ohne Zweifel erwaegen muss, vielleicht trugen alle jene Gruende zu dem Leichtsinn bei, mit dem sich die Damen der Liebe und der Ehe ueberlieferten. Wie dem auch sein mochte, es mag hinreichen, dass wir hier bemerken, wie durch den Ruhm und die Lorbeeren so manche Fehler geweckt wurden, wie das weibliche Geschlecht mit Eifer jene kuehnen Abenteurer aufsuchte, die ihm damals als wahre Quellen der Ehre, der Reichtuemer und der Freuden erschienen, und wie damals eine Epaulette in den Augen eines jungen Maedchens einer Hieroglyphe glich, die Glueck und Freiheit bedeutete. Ein Zug, der jene Epoche charakterisiert, war eine gewisse zuegellose Leidenschaft fuer alles Glaenzende. Nie wurden so viele Feuerwerke veranstaltet; zu keiner Zeit hatten die Diamanten einen so hohen Wert erreicht. Die Maenner waren ebenso begierig nach jenen klaren Kieseln wie die Frauen und schmueckten sich mit ihnen, gleich diesen. Vielleicht hatte der Wunsch, die gemachte Beute in der leichtesten Gestalt mit sich fuehren zu koennen, die Juwelen bei der Armee in ein so hohes Ansehen gebracht. Der Mann erschien damals nicht so laecherlich, wie das jetzt der Fall sein wuerde, wenn die Krause seines Hemdes oder die Finger den Blicken schwere Diamanten darboten, und Murat, dieser echte Suedlaender, hatte den Soldaten das Beispiel eines abgeschmackten Luxus gegeben.
    Der Graf von Gondreville, einer der Luculle jenes erhaltenden Senats, der nichts erhielt, hatte nur darum so lange gezoegert, ein Fest zu Ehren des Friedens zu veranstalten, um desto glaenzender Napoleon den Hof zu machen und alle die Schmeichler zu ueberstrahlen, die ihm zuvorgekommen waren. Die Gesandten aller mit Frankreich befreundeten Maechte, die wichtigsten Persoenlichkeiten des Kaiserreichs, selbst einige Fuersten waren in dem prachtvollen Hotel des reichen Senators versammelt. Wenn der Tanz noch nicht in Schwung kommen wollte, so ruehrte das daher, weil man auf den Kaiser wartete; denn dieser hatte versprochen, dass er erscheinen werde, und haette gewiss sein Wort gehalten, waere nicht an demselben Abende zwischen ihm und Josephine ein Auf tritt vorgefallen, der die Scheidung des gekroenten Gattenpaares voraussehen liess. Die Nachricht von jenem unangenehmen Auftritt war noch nicht bis zu den Ohren der

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