Große und kleine Welt (German Edition)
anziehend macht. Alle Maenner, die auf dem Ball anwesend sind, scheinen ebenso neugierig geworden zu sein, wie Sie. Aller Augen richten sich unwillkuerlich nach jenem Kandelaber, neben dem das arme Kind so bescheiden sitzt. Sie erntet alle Huldigungen, die man ihr hat entreissen wollen. Der muss gluecklich sein, der mit ihr tanzen wird!…" Bei diesen Worten unterbrach sie sich, indem sie einen Blick auf die Graefin von Vaudremont richtete, der deutlich sagte: "Wir sprechen von Ihnen." Dann fuhr sie fort: "Ich denke, dass Sie den Namen der Unbekannten lieber aus dem Munde der schoenen Graefin hoeren werden, als aus dem meinigen." Die Haltung der Herzogin war so herausfordernd, dass Frau von Vaudremont sich erhob, zu ihr kam, sich auf den Stuhl setzte, den ihr Martial anbot, und dann, ohne auf ihn zu achten, lachend sagte: "Ich errate, meine Dame, dass Sie von mir sprechen, aber ich muss meine Schwaeche anerkennen und gestehen, dass ich nicht erkenne, ob Sie Gutes oder Boeses von mir reden."
Frau von Marigny drueckte mit ihrer trockenen und verschrumpften Hand die huebsche Hand der jungen Dame und antwortete mit leiser Stimme und im Tone des Mitleids: "Arme Kleine!"
Die beiden Frauen blickten einander an. Frau von Vaudremont begriff, dass der Baron von Martial ueberfluessig sei und verabschiedete ihn mit einem gebieterischen Blick, der ihm sagte: "Verlassen Sie uns augenblicklich!"
Den Requetenmeister freute es wenig, die Graefin von den Kuensten der gefaehrlichen Sybille gefesselt zu sehen und richtete einen jener maennlichen Blicke auf sie, die so viel Macht ueber ein liebendes Herz besitzen, aber auch einer Frau so laecherlich erscheinen, wenn sie kalt gegen den geworden sind, in den sie verliebt war.
"Wollen Sie vielleicht dem Kaiser nachaeffen?…" sagte Frau von Vaudremont und wandte ihren Kopf, um den Requetenmeister spoettisch anzusehen.
Er kannte die Welt zu gut, besass zu viel Feinheit und guten Geschmack, als dass er sich einem Bruch mit der huebschen Kokette haette aussetzen wollen; ueberdies rechnete er auf die Eifersucht, die er bei ihr erwecken wollte, als auf das beste Mittel, das Geheimnis ihrer ploetzlichen Kaelte zu entdecken. Er entfernte sich umso williger, als in diesem Augenblick ein neuer Contretanz alle Taenzerinnen in Bewegung setzte. Die heiteren Toene des Orchesters erklangen und man haette die durcheinander wogende Menge mit einer Wolke tausendfarbiger Schmetterlinge vergleichen koennen, die sich bei dem harmonischen Konzert der Voegel eines Gebueschs ueber einer Waldwiese erheben.
Der Baron schien den antretenden Quadrillen zu weichen und stuetzte sich auf den Marmor einer Konsole. Er kreuzte die Arme ueber der Brust und blieb einige Schritte vor den beiden Damen stehen, die sich heimlich miteinander unterhielten. Von Zeit zu Zeit folgte er den Blicken, die beide wiederholt auf die Unbekannte richteten, und der Baron befand sich in einer schrecklichen Unentschlossenheit, waehrend er die Graefin mit jener neuen Schoenheit verglich, die noch mehr gehoben wurde durch das Geheimnis, das sie umgab. Er schwankte, ob er ein reicher Mann werden oder eine Laune befriedigen solle.
Der Glanz der Lichter liess so kraeftig das schwermuetige und duestere Antlitz unter seinen schwarzen Haaren hervorstechen, dass man ihn mit einem boesen Geist haette vergleichen koennen, und mehr als ein fernstehender Beobachter mochte sich wohl sagen, "Der arme Teufel scheint auch nicht zu seiner Freude hier zu sein!"
Die rechte Schulter leicht an die vergoldete Einfassung der Tuer zwischen dem Spielzimmer und dem Tanzsaale gestuetzt, konnte der Oberst unbemerkt lachen. Er freute sich ueber den berauschenden Laerm des Balles. Er sah hundert huebsche Koepfe, die je nach den Launen des Tanzes hin und her schwebten. Er las in manchen Zuegen, ebenso wie in denen der Graefin und seines Freundes Martial, die Geheimnisse der Seelen. Dann wandte er sein Gesicht und verglich das duestere Aussehen des Grafen Soulanges, der noch immer in dem Armstuhle sass, wo er ihn verlassen hatte, mit den sanften und klagenden Zuegen der unbekannten Dame, auf deren Antlitz abwechselnd die Freuden der Hoffnung und die Angst eines unwillkuerliehen Schreckens erschienen. Der glueckliche Kuerassier hatte soviele Geheimnisse zu erraten, Reichtum von einer keimenden Liebe zu hoffen, die Lehren zu merken, die der gekraenkte Ehrgeiz gibt, das Schauspiel einer heftigen Leidenschaft zu beobachten und das Laecheln von hundert huebschen Damen ueber
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