Grosseinsatz Morgenröte
gleichen Umstände verzögerten den Bau der ersten bemannten Raumstation – und nun haben wir wieder ein so treffendes Beispiel, daß man verzweifeln könnte. Man scheint noch immer nicht erkannt zu haben, daß die Menschheit endgültig in zwei Lager gespalten ist. Besonders Ihnen, Oberst Habcour, darf ich versichern, daß in Asien intensiver und planmäßiger gearbeitet wird. Dort gibt es keine Eifersüchteleien im eigenen Lager.«
Habcour saß steil aufgerichtet hinter seinem Schreibtisch. Die anderen Offiziere sahen unsicher auf den Mann in der blauschwarzen Uniform. Reling legte seine Zigarre endgültig zur Seite.
Da warf Professor Renard ein:
»Wollen Sie nicht auf die gegenseitigen Vorwürfe verzichten? Wir haben das Schiff nun einmal gestartet.«
»Wie?« unterbrach ich ihn wißbegierig. »Wie haben Sie das gemacht? Es galt doch als feststehende Tatsache, daß der erste Sprung zum Mars nur von der Kreisbahn aus erfolgen könnte. Auch mit unseren thermischen Atomtriebwerken ist der Stein der Weisen noch nicht gefunden. Das Massenverhältnis …«
»… ist beinahe nebensächlich geworden«, fiel Scheuning ein. »Wir haben auf den Bau im leeren Raum verzichtet und das zweistufige Schiff trotz der hinderlichen Atmosphäre und trotz der hemmenden Gravitation von den Nevada-Fields aus gestartet.«
»Was – nur zweistufig?« wiederholte ich ungläubig.
»Allerdings! Dabei war die erste Stufe nicht einmal mit dem neuen Triebwerk, sondern mit einem herkömmlichen Aggregat ausgerüstet. Als Arbeitsmedium diente destilliertes Wasser. Die Expansion erfolgte in einem Nochland-Quecksilber-Wärmeaustauscher. Als Heizelement diente ein mittelgroßer, schnellaufender Plutonium-Reaktor, wie er auch in den Mondraketen verwendet wird. Der Strahlmassenvorrat der ersten Stufe brachte die Rakete in den freien Raum. Bei Brennschluß der Startstufe besaß das Schiff eine Geschwindigkeit von genau 21,4342 Kilometer pro Sekunde. Damit war die irdische Fluchtgeschwindigkeit weit überschritten. Nachdem sich das Raumschiff gelöst hatte, wurde die Hilfsstufe im Raum vernichtet. Das war die Explosion, die man vor einem halben Jahr beobachtete.«
Ich war mir darüber klar, daß die Angaben Hand und Fuß hatten. Trotz des – neuerdings – anscheinend veralteten kernchemischen Triebwerks war es durchaus möglich, daß die Hilfsstufe das eigentliche Marsschiff mühelos der irdischen Schwerkraft entzog.
»Die Reise verlief so störungsfrei wie berechnet«, erläuterte Scheuning weiter. »Die ALPHA landete auf dem Mars und ergänzte dort programmgemäß ihren fast verbrauchten Strahlmassenvorrat. Das geschah in den schneebedeckten nordpolaren Regionen. Der angesaugte Schnee wurde in reines Destillat verwandelt, da auch das neue Triebwerk Wasser als Strahlmedium verwendet. Die Besatzung blieb nur vierzehn Tage dort, da die Rückreise planmäßig angetreten werden mußte.«
»Sie gelang?« fragte ich verstört.
»Selbstverständlich«, betonte er. »Sie gelang auf der schnellen, energiefressenden Bahn; aber das konnten wir uns erlauben. Rund einhundertundvier Millionen Kilometer wurden in einem Zeitraum von nur knapp zwei Monaten bewältigt. Als die ALPHA den Funkverkehr mit unserer Mondstation aufnahm und zur Bremsbeschleunigung ansetzte, kam es zum ersten Zwischenfall. Ein faustgroßer Meteor durchschlug die Zelle und zertrümmerte das Fernsteuergerät. Wenig später erkrankten sechs Männer der neunköpfigen Besatzung. Die Ursachen blieben für den Bordarzt unergründlich. In Erdnähe war nur noch der Kommandant gesund und
Weitere Kostenlose Bücher