Grosseinsatz Morgenröte
dünner, als es die Stahlklinge eines Skalpells jemals hätte sein können. Es wurden Schnitte gemacht, aber es gab keine Wunden.
Über meinem festgeschnallten Kopf glitt der Ultraschall-Projektor an den Gleitschienen entlang. Auf den Hundertstel-Millimeter genau lief das Gerät mitsamt seinem Dosistaster über mein Gesicht hinweg.
Die Chirurgen standen beobachtend dabei. Keiner von ihnen rührte einen Finger, da auch niemand fähig gewesen wäre, die Arbeit der programmierten Maschine mit der gleichen Präzision auszuführen.
Das Gerät war auf meine Gesichtsform eingestellt. Man beschäftigte sich jetzt mit meiner Nase. Wangen, Kinnpartie und Lippen waren schon »fertig« – formten die Züge eines blendend aussehenden Mannes, der sich Dr. Clint Hofart nannte.
Der Physiker saß verkrampft und schwitzend neben mir. Wahrscheinlich wurde ihm übel – und das konnte ich ihm nicht verdenken. Es ist ja auch nicht besonders angenehm, mitanzusehen, wenn ein völlig Fremder das eigene, vertraute Gesicht erhält.
Ich stöhnte, da die Wunden in der Lippengegend wieder zu schmerzen begannen. Die Betäubung hatte an der Stelle nachgelassen. Ich fühlte bereits den harten Zug der Klebemasse. Sie trug dazu bei, daß die ohnehin kaum erkennbaren Schnitte später überhaupt nicht mehr zu sehen waren. Der Heilprozeß unter dem aufgetragenen Zellgewebe war in vollem Gange. Mit meiner Nase konnte es auch nicht mehr lange dauern.
Ich hatte Glück gehabt, daß man unter den engeren Mitarbeitern von Professor Scheuning einen jungen Mann gefunden hatte, dessen Gesicht dem meinen annähernd glich. Für meine Begriffe sah Dr. Hofart zwar ganz anders aus, die Chirurgen waren jedoch gegenteiliger Meinung. Sie urteilten nicht nach den leicht verwandelbaren Haut- und Muskelsträngen, sondern nach dem grundsätzlichen Knochenbau.
Er war etwa 1,34 Zentimeter kleiner als ich. In der Schulterbreite bestand ein noch größerer Unterschied. Das waren aber Kleinigkeiten, die General Reling nicht aufregen konnten. Längst waren Hofarts Akten auf meine Körpermaße umgestellt worden. Jedes noch so unbedeutend erscheinende Dokument, das jemals über den Physiker ausgefertigt worden war, wies nun meine individuellen Daten auf.
Einmalig und unglaublich großzügig waren Hofarts Personalien verändert worden. Ich konnte jedoch absolut sicher sein, daß unsere Spezialisten nichts übersehen hatten.
Das Gesicht allerdings – das hatte man nicht ohne weiteres durch andere Bilder ersetzen können! Wenn ich als Dr. Clint Hofart den Sprung nach Großasien wagen sollte, so mußte ich so aussehen wie Dr. Hofart! Das war eine unerläßliche Notwendigkeit und der Grund, weshalb ich auf dem OP-Tisch lag.
Die Chirurgen der GWA tauschten Begriffe aus, die ich nicht verstehen konnte. Im großen Deckenspiegel bemerkte ich einen Mann, der ein kleines Elektronengehirn mit einem gelochten Kunststoffstreifen fütterte. Kontrollampen leuchteten auf. Dann quäkte eine Lautsprecherstimme:
»Ultraschneider umgestellt auf Knorpel-Fräsung.«
Dr. Hofart kämpfte gegen die zunehmende Übelkeit an. Ich bemerkte, wie sein Gesicht von einer fahlen Blässe überzogen wurde. Ein Assistent eilte zu ihm und setzte ihm die Düse einer Hochdruckspritze auf die Muskulatur des entblößten Oberarms.
»Nicht übergeben«, beschwor ihn der Arzt. »Sie fühlen sich gleich besser. Der Mundschutz darf nicht entfernt werden. Infektionen können wir nicht gebrauchen.«
Nach einigen Minuten setzte die Wirkung des Medikaments ein. Dr. Hofart schien es allmählich besser zu gehen. Ich wollte ihn anlachen, aber sie hatten
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