Grosser Auftritt fuer Sally
Teufel an die Wand«, stöhnte Herr Feddersen und warf einen abschätzenden Blick auf die dunklen Wolken, die sich über ihnen zusammenballten. »Nein, natürlich nicht. Höchstens die Nahaufnahmen in meiner Schlussszene. Aber nicht mal das klappt. Das Kind, das ich dafür einsetzen wollte, hat Windpocken.«
Der Tag schien ein unbefriedigendes Ende zu nehmen. Die Schauspieler wurden nach Hause geschickt, die Kutschenfahrer auch, die Pferde durften zurück in den Stall, die Killerbienen verschwanden zögernd.
Die Mädchen, noch in ihren Kostümen, kauerten unter dem Regiezelt. Zusammen mit Bastian, Bär Feddersen, Maske, Linse und Lampe tranken sie Cappuccino und Cola. Herr Winkelmann blieb bockig an seinem Tontisch sitzen und nippte an lauwarmem Fencheltee. Sein Magen machte ständig Probleme - kein Wunder, denn das Walross ärgerte sich über jede Kleinigkeit. Niemand arbeitete mehr, bis auf Pia Lindau und Luisa, die auf Klapphockern über ihre Notizbücher gebeugt saßen.
»Wenn wir wenigstens ein Mädchen für den Schlusstext gefunden hätten«, brummte der Regisseur, »dann wäre mir entschieden wohler.« Er wandte sich den Jugendlichen zu. »Kennt ihr kein zehnjähriges Mädchen, das schnell einspringen kann? Dunkler Typ, langes Haar, hübsch.«
Bastian lachte amüsiert. »Wieso suchen Sie danach?«, fragte er erstaunt. »Das Mädchen sitzt doch direkt vor Ihnen! Luisa Steffen!«
Alle Augen richteten sich auf einmal auf Luisa. Mit hochrotem Kopf blickte sie von ihrem Heft auf und biss sich verlegen auf die Lippen.
Bär Feddersen ließ seine Hand mit der Cappuccinotasse sinken, legte seinen Kopf schief, kniff die Augen zusammen und musterte Luisa mit den Augen eines Regisseurs. Ein hübsches Mädchen mit ausdrucksvollen, braunen Augen. Das lange, schwarze Haar, das Luisas zierliches Gesicht umrahmte, war für ihre Rolle als mittelalterliches Kind mit Hanfbändern an den Seiten zusammengebunden.
»Wunderbar, Bastian!« Bär Feddersen sprang auf. Warum war ihm Luisa nicht selber aufgefallen? Die ideale Besetzung! Genau der Typ, den Prosper, Prosper + Prosper für die Räuberwaffel suchten.
»Na, Luisa, hast du Lust?«, fragte er aufmunternd. Und dann: »Herr Winkelmann, können wir noch mal . . .?« Lampe und Linse standen ebenfalls auf und machten sich an ihren Geräten zu schaffen.
Zunächst wurde eine Tonprobe gemacht. Luisa musste sagen: »Nur echt mit Robin Hood.« Ihre klare Stimme eignete sich großartig. Dann der Probelauf. Luisa saß in ihrem Jutekostüm im Gras, hielt die Waffelpackung ins Bild und sagte verschmitzt in Szene 11: »Nur echt mit Robin Hood.« Dann zeigte sie auf den auseinanderziehbaren Verschluss und fuhr mit dem Text für Szene 12 fort, ohne sich zu versprechen: »In der praktischen Wiederverschlussfolie. «
Bastian durfte für die Originalaufnahmen die Klappe betätigen, weil der Kameraassistent schon weggefahren war. Szene 11 klappte im dritten Versuch. Bär Feddersen lobte Luisa überschwänglich und beteuerte, bis zu zehn Wiederholungen seien bei Profis normal.
»Weiter so«, feuerte er sie an, »dann sind wir gleich durch.« Die Wolken türmten sich unheilvoll auf, aber dank Lampes Beleuchtungstricks konnte Linse weiterdrehen.
Bastian trat mit seiner Klappe vor das Objektiv der Kamera.
»Szene 12, Klappe 1.«
»Kamera ab«, sagte Bär.
Luisa deutete auf die Waffelverpackung. »In der praktischen Wiederverschließfolie«, sagte sie sauber und mit gewinnendem Lächeln.
»Verschluss«, stellte Herr Feddersen richtig. »Sonst war es prima. Aber denk an schluss. WiederverscWussfolie. Nicht schließ .«
Luisa nickte. »Klar.«
»Szene 12, Klappe 2.«
»In der praktischen Wiederkehrbus... Mist.«
»Szene 12, Klappe 3.«
»In der praktischen Fliederbeerschuss...«
»... Klappe 4.«
»Wiederverdruss...«
»Klappe 5« »Klappe 6« »Klappe 7« »Klappe 8« »Klappe 9.«
Luisas Augen schimmerten feucht.
»Ich kriege dieses blöde Wort nicht hin.« Verzweifelt schüttelte sie den Kopf. »Warten Sie doch lieber auf das Windpockenmädchen«, sagte sie unglücklich.
Aber das wollte der Regisseur nicht. Luisa gefiel ihm hervorragend in der Rolle. Nur Pech, dass sie sich so in diesen dummen Versprecher hineinsteigerte. Was konnte er bloß tun?
Etwas ratlos sah er zu Bastian hinüber, der ihm stumme Zeichen machte, die er nicht verstand. Schließlich kam Bastian auf ihn zu, schlenderte wie zufällig vor dem Regiestuhl auf und ab und flüsterte Herrn Feddersen unauffällig
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