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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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gemalt worden.
    »Das macht die Eisenbahn«, sagte Großer-Tiger. »Früher gingen hier die Karawanen nach Peking, und jetzt gehen sie nicht mehr.«
    Christian, der schon lange neugierig war, machte die Ledertasche auf, um nachzusehen, was darin sei. Sie war in drei Fächer
     geteilt, und schon das war eine herrliche Sache. Es gab Notizhefte, Bleistifte, einen Kompass, ein Lineal mit vielen Zentimetern
     und   …
    »Au fein! Zwei Taschenmesser!«, sagte Christian.
    »Sie sind eine wertvolle Gabe«, bemerkte Großer-Tiger; »gib mir bitte das mit dem roten Griff.«
    »Wie du willst«, sagte Christian und steckte das mit dem schwarzen Griff in die Hosentasche.
    Dann war da eine Seife, ein Handtuch, ein Kamm und zwei Landkarten. »Mongolia-Southern Sheet« stand auf dem einen Blatt, »Mongolia-Western
     Sheet« stand auf dem andern. Daran sah man, dass es englische Karten waren. Neben den Karten lag ein Vergrößerungsglas wegen
     des kleinen Drucks der Ortsnamen. Christian entfaltete das Südliche-Blatt. Gleich fand er Hsüan-Hua-Fu, das mit großen Buchstaben
     gedruckt und dadurch auffällig war. »Hier sind wir jetzt«, sagte er.
    Man fuhr gerade am Yamen des Bezirksverwalters vorüber, wo ein schläfriger Soldat Wache stand. Er wurde munter, als er Großer-Tiger
     und Christian vorbeifahren sah.
    »Wohin geht die Reise der Herren?«, rief er laut.
    »Die Herren gehen in die Berge«, rief Christian ebenso laut zurück.
    Er sah, und Großer-Tiger sah es auch, wie der Soldat grinsend auf sein Schwert zeigte und dazu die Gebärde des Kopfabschneidens
     machte.
    »Was hat er nur?«, fragte Christian.
    »Er meint, du willst ein Räuber werden«, erklärte Großer-Tiger. »In die Berge gehen heißt, dass man ein Räuber werden will.«
    »Gibt es hier welche?«
    »Hier gibt es noch keine, aber hinter Kalgan gibt es.«
    Der Wagen bog jetzt um eine Ecke, man sah den Soldaten nicht mehr, und die bisherige Straße musste allein am Fluss weiterlaufen.
     In der neuen Richtung ging es bergauf.
    »Wir werden bald in Kalgan sein«, sagte Christian und betrachtete die Karte.
    Großer-Tiger hatte noch nie eine Karte in der Hand gehabt, aber er tat, als kenne er Landkarten in- und auswendig, und er
     sagte so nebenhin: »Dieses Landbild ist englisch, ich kann die Namen nicht lesen.«
    Christian begriff, dass er seinem Freund helfen müsse. »Es ist ganz leicht«, sagte er, »und es ist gar keine Kunst, und überhaupt
     kann das jeder.«
    »Was steht hier oben?«, fragte Großer-Tiger.
    »Oben ist Norden«, sagte Christian. »Die kleinen Kreise sind Dörfer und Städte, und nebendran stehen die Namen. Das Blaue
     sind Flüsse und Seen, die dünnen Striche sind Straßen, und die dicken Striche sind Eisenbahnen. Alles andere ist Gegend.«
    »Was für eine Gegend?«
    »Je nachdem. Man sieht es am besten, wenn man dort ist. Ein wenig kann man vorher erkennen, wenn man die Karte anschaut.«
    »Hier kann man nichts erkennen«, sagte Großer-Tiger, und er zeigte auf weiße Flecke, von denen es viele gab.
    »Wo gar nichts steht, ist eben Wüste«, erklärte Christian. »Man muss selbst hingehen, und dann weiß man, wie es in der Wüste
     aussieht.«
    Mit dieser Erklärung gab sich Großer-Tiger nicht zufrieden. »Wo ist der komische Ort« fragte er, »von dem der General Wu gesagt
     hat, dort gäbe es Benzin?«
    »Du meinst Ollon-Torre?«, sagte Christian, und er begann zu suchen. Allein er fand Ollon-Torre nicht. Er nahm das Vergrößerungsglas
     aus der Ledertasche. Es verging eine lange Zeit, und endlich fand er den Edsin-Gol. »Hier ist der Fluss!«, rief er. Er war
     sehr froh, dass er etwas gefunden hatte.
    »Wo der Fluss ist, muss auch der Ort sein«, entschied Großer-Tiger; »du musst weiter suchen.«
    »Wir wollen vorher einen Mohnkuchen essen«, schlug Christian vor. »Gut«, sagte Großer-Tiger, und Christian faltete schnell
     die Karte Südliches-Blatt zusammen und steckte sie zu dem Westlichen-Blatt in das dritte Fach der Ledermappe. Das Vergrößerungsglas
     tat er auch hinein, und er war gar nicht mehr neugierig, weil er jetzt alles wusste, was es in der Mappe gab. Während sie
     Mohnkuchen aßen, dachte Christian: Schade, dass es die letzten sind, und Großer-Tiger dachte das Gleiche.
    Der Wagen fuhr langsam; es ging immer noch bergauf, und man hatte eine schöne Aussicht, weil fast kein Staub aufgewirbelt
     wurde. Längst waren Hsüan-Hua-Fu und der Yang-Ho nicht mehr zu sehen. Es ging durch viele kleine Dörfer und über

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