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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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Kanne.«
    »Du hast keine Kanne?«, schrie Grünmantel erbost. Er sprang auf und gab dem Jungen eine schallende Ohrfeige. Der Junge fiel
     um, war aber geistesgegenwärtig genug, sich flink am Boden so weit fortzuwälzen, um dem nachfolgenden Fußtritt Grünmantels
     zu entgehen. Dann richtete er sich auf, und ohne den geringsten Schmerzenslaut lief er weg. Die beiden andern folgten ihm.
    Wenn ich nur nicht hier wäre und so eine Gemeinheit nicht ansehen müsste, dachte Christian. Auf einmal war ihm die schöne
     Reise verleidet, von dem guten Frühstück wollte er nichts mehr haben, und er schaute unglücklich auf Großer-Tiger, umzu erfahren, was der wohl dachte. Aber Großer-Tiger saß ganz still da, und erst als er merkte, dass Christian zornige Tränen
     in den Augen hatte, zwinkerte er ihm zu, und das hieß: »Bleib ruhig und tu, als ob nichts vorgefallen wäre.« Das war sehr
     schwer für Christian. Er hasste Grünmantel, und er hätte ihn am liebsten furchtbar verprügelt oder ihm sonst etwas Schreckliches
     angetan, wenn es irgend möglich gewesen wäre. Doch es fiel ihm nichts ein als das übliche: Es gibt keine Hilfe.
    »Hast du was gesagt?«, fragte Glück und schob ein Stück Brot in den Mund.
    »Ich habe laut gedacht«, erwiderte Christian. Dabei wischte er sich die Tränen aus den Augen.
    Grünmantel streifte Christian mit einem bösen Blick.
    »Laut zu denken ist unartig«, sagte er.
    Von diesem Augenblick an war es eine ausgemachte Sache, dass die beiden sich feind waren.
    Einige Minuten vergingen, keiner sagte etwas, und nur Grünmantel hob manchmal den Kopf, als ob er auf jemand warte. Schließlich
     wurde ihm die Zeit lang, er stand auf, stapfte herum, und wenn er drei Schritte gegangen war, kam er wieder drei zurück und
     knurrte: »Keiner taugt mehr« oder: »Man kann sich auf niemand verlassen.«
    »Wen meint er damit?«, flüsterte Christian.
    »Wahrscheinlich«, antwortete Großer-Tiger, »meint er den Jungen, den er geschlagen hat, du wirst sehen.«
    Eine kleine Weile verging mit Warten, dann kamen die drei Bettelbuben wieder. Die zwei kleinen trugen eine dampfende Teekanne
     aus Messing, der größere ging nebenher und gab acht, dass sie nichts verschütteten. »Bist du endlich da?«, sagte Grünmantel;
     »es hat lange gedauert!«
    »Ich bitte um Nachsicht, Großer Onkel!«
    »Schon recht«, brummte Grünmantel, kramte eine Münze aus dem Geldbeutel, den er im Gürtel trug, und sagte: »Komm einmal her,
     ich muss dir noch dies und das sagen.« Er nahm den Jungen beiseite und redete leise auf ihn ein. Der Junge nickte ein paarmal
     mit dem Kopf, und dann kam Grünmantel mit ihm zurück.
    »Esst, was übrig ist; es ist eine ganze Menge.«
    Es war aber nur ein Stückchen Bohnenkäse in dem Korb geblieben, und Glück ging zum Wagen, holte für jeden ein Stück Brot und
     brachte Tassen für den Tee.
    »Du fütterst diese drei Stück Lumpenpack über Gebühr«, bemerkte Grünmantel. »Sie werden dicke Bäuche kriegen, und man kann
     sie nicht mehr zum Betteln schicken.«
    »Stimmt das?«, fragte Glück.
    »Nein, Herr, wir betteln für uns selbst. Wir haben die Eltern verloren; der Krieg war bei uns.«
    »Esst«, sagte Glück; »wenn der Hahn zu Mittag ruft, ist der Bauch leer.«
    Grünmantel hatte auf einmal keine Lust mehr, beim Tee zu bleiben. Er trank hastig eine Tasse, stellte sie beiseite und sagte
     zu Glück: »Ich habe zwei Augenblicke in der Stadt zu tun. Wenn du alles eingepackt hast, bin ich zurück.«
    »Beeile dich«, erwiderte Glück, »du willst ja selbst, dass wir heute in Tsagan-Tscholo übernachten.«
    »Freilich, freilich«, brummte Grünmantel, »du hast nicht nötig, mir Vorschriften zu machen.«
    Er ging weg, und Glück schaute ihm verdrossen nach. Dann machte er sich am Motor zu schaffen, und als das erledigt war, ging
     er mit einer Kanne weg, um Kühlwasser zu holen.

Zehntes Kapitel, in dem wir erfahren, was Kleiner-Schneevogel weiß
    Christian und Großer-Tiger sahen sich an, und keiner wusste, was er sagen sollte. Wären die drei fremden Jungen nicht da gewesen,
     hätte Christian gesagt: »Da stimmt etwas nicht«, und Großer-Tiger hätte genickt und geantwortet: »Es gibt keine Hilfe.« So
     aber saßen sie auf ihren Pelzmänteln und schwiegen. Großer-Tiger dachte angestrengt darüber nach, was zu tun sei, und Christian
     konnte auch nichts finden. Endlich fiel ihm etwas ein, und er sagte: »Ihr habt nichts zu essen, aber wir haben etwas zu

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