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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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essen.«
    »Kwi-Schan hat recht«, rief Großer-Tiger erfreut.
    Er sprang auf und lief zum Wagen. Christian lief hinter ihm drein und half ihm hinaufklettern. Dann kamen beide wieder, und
     Großer-Tiger sagte: »Hier sind einige Nudeln. Die Schachtel ist zwar eingedrückt, aber wir bitten euch, damit vorliebzunehmen.«
    Die drei armen Jungen hörten auf, Brot zu essen. Sie schauten die Schachtel an, in der die Nudeln für langes Leben waren,
     und sie schwiegen, bis Großer-Tiger die Schachtel neben sie stellte. Da stand der auf, den Grünmantel geschlagen hatte, verneigte
     sich artig und sagte: »Wir sind elend, und wir können keine schönen Worte machen, denn wir sind vom Land. Ihr seid sehr gütig
     zu uns.«
    Dann setzte er sich wieder, und Christian und Großer-Tiger setzten sich neben ihn. Die beiden andern Jungen sagten nichts;
     sie blickten auf den älteren.
    »Ich heiße Kleiner-Schneevogel«, sagte er, »und diese sind meine Brüder. Unsere Heimat ist in Dschang-Be vor dem Nordtor.
     Dort standen fünf Hütten, und eine war unsere, aber jetzt sind alle verbrannt.«
    »Wir sind aus Peking«, sagte Großer-Tiger, »und wir fahren nach Sinkiang.«
    »Ich weiß es«, erwiderte Kleiner-Schneevogel, »Grünmantel hat es mir gesagt.«
    »Kennst du ihn?«, fragte Christian.
    »In unseren Hütten kannte ihn jeder. Er kam oft zu uns, wenn er im Dorf Weißer-Stein zu tun hatte. Bei uns gibt es nur wenig
     Ackerland, und nachher beginnt gleich die Steppe, in der die Mongolen sind. Grünmantel ist ein Händler. Er kauft von den Mongolen
     Felle und Wolle. Dafür gibt er ihnen Salz und Mehl, Tee und Stoffe, so macht er ein doppeltes Geschäft. Er ist immer unterwegs,
     und er ist sehr reich. Seine Karawanen ziehen durch die Wüste bis nach Sinkiang, aber niemand hat ihn gern, weil er hart ist.
     Mein Vater schuldete ihm dreißig Silberstücke.« »Hat er dich deshalb geschlagen?«
    »O nein! Das tut er, weil er meint, dass ihm keiner widerstehen könne.«
    »Der Gemeine missbraucht seine Macht«, bemerkte Großer-Tiger weise. »Da ist keine Hilfe«, bestätigte Christian.
    »Doch«, sagte Kleiner-Schneevogel, »man kann ihn daran hindern. Wir müssen nur einig sein.«
    »Wir sind einig!«, rief Christian. »Sage, was du zu sagen hast!«
    Kleiner-Schneevogel blickte um sich, ob die Luft rein sei, dann sagte er leise: »Ich vertraue euch, darum will ich reden.
     Ihr habt gesehen, dass Grünmantel allein mit mir sprach. ›Hier hast du ein kleines Silberstück‹, sagte er, ›du brachtest einen
     Topf mit heißem Wasser. Woher du ihn hast, ist mir gleich; es zeigt mir, dass du ein brauchbarer Junge bist. Du sollst ein
     großes Stück Silber haben, wenn du herauskriegst, warum die beiden kleinen Lümmel – damit meinte er euch – nach Sinkiang fahren.
     Ich gehe jetzt für eine Viertelstunde weg, also hast du Zeit genug, herauszufinden, was ich wissen will. Sei schlau, mein
     Söhnchen, dann kriegst du ein großes Silberstück!‹«
    »Warum will er das wissen?«, fragte Christian.
    »Davon hat er nicht gesprochen.«
    »Die Sache ist schwierig«, sagte Großer-Tiger; »wir reisen nach Sinkiang, weil der General Wu-Pei-Fu nicht wollte, dass wir
     bei der kämpfenden Truppe blieben. Da er uns aber zu helfen wünschte, fahren wir jetzt mit dem Lastwagen, und später mit der
     sibirischen Eisenbahn, und so werden wir in vier Wochen daheim sein, wenn der Kampf vorüber ist.«
    »Soll ich ihm das erzählen?«, fragte Kleiner-Schneevogel.
    »Es ist die Wahrheit«, sagte Großer-Tiger, »aber die Wahrheit ist zu einfach für Leute wie Grünmantel. Er wird sie nicht glauben.«
    »Wir müssen etwas erfinden«, meinte Kleiner-Schneevogel; »soll ich ihm vielleicht erzählen, dass ihr in Sinkiang eine Botschaft
     ausrichten müsst? Das wird ihm eingehen wie Mandelöl.«
    »Wir haben keine Botschaft auszurichten«, rief Christian erschrocken.
    Kleiner-Schneevogel stutzte, als er sah, welche Wirkung sein Vorschlag machte. Dann sagte er ruhig: »In diesem Fall müssen
     wir etwas anderes ausdenken.«
    »Wir wollen überlegen«, sagte Großer-Tiger.
    »Wir müssen die Sache von sämtlichen Seiten betrachten«, sagte Christian. Und dann dachten alle sehr angestrengt nach. Die
     Sonne schien, und die Fliegen summten, und Glück ging mit einer Kanne Wasser an der schweigenden Gesellschaft vorbei zum Wagen.
    »Ich hab’s!«, sagte Großer-Tiger plötzlich. »Es gibt eine Erklärung, und Grünmantel wird sie begreifen.«
    »Sprich!«,

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