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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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ankommt.«
    »Siebenstern lehrte uns«, sagte Christian, »dass man die Beine nicht zum Gehen habe, sondern zum Reiten.«
    »Das mag für die Mongolen gelten«, meinte Ungemach, »die lassen sich auf dem Pferd festbinden, wenn sie müde sind.«
    »Ach was«, rief Glück und stieg ebenfalls ab, »Mondschein hieße nicht Pfötchen, wenn er nicht auch ein Stück zu Fuß gegangen
     wäre.«
    Ungemach, der die Geschichte nicht kannte, bat Glück, sie ihm zu erzählen, aber Glück blieb plötzlich stehen, und der Pudel
     begann zu knurren.
    »Da ist doch einer«, sagte Glück halblaut.
    »Er hat ein Pferd bei sich«, flüsterte Ungemach.
    »Also ist er ein Rotbart«, stellte Glück fest. Er war aber ganz ruhig dabei.
    »Ich wusste«, sagte Ungemach, »dass es kein Entrinnen gibt.«
    »Warum bleibt ihr stehen?«, rief eine Stimme aus dem Dunkel, doch da begann der Pudel laut zu bellen, und Christian musste
     ihn festhalten. Man konnte nicht mehr miteinander reden, weil der Pudel so bellte, und als er endlich aufhörte und nur noch
     die Zähne fletschte, weil ihn das Halsband schnürte, war der Fremde herangaloppiert.
    Er parierte sein Pferd dicht vor Glück.
    »Reist ihr leicht und gut?«, fragte er. Dabei eilte sein Blick von einem zum andern, bis er wieder bei Glück anlangte.
    »Leicht und gut«, antwortete Glück, »wer bist du?«
    Der Mann schüttelte den Kopf wie über eine ungehörige Frageund sein Zopf flog. Wahrscheinlich machte er ein abweisendes Gesicht, aber man sah es nicht genau, denn das Mondlicht fehlte.
     Der Pudel war endlich ruhig geworden.
    »Ich habe zwei Worte«, sprach der Mann; »wenn ich die gesagt habe, muss ich weiter.«
    »So sprich«, sagte Glück.
    Der Mann setzte sich im Sattel aufrecht. Er sagte leiernd: »Mondschein grüßt Glück, Kompass-Berg, Großer-Tiger und einen,
     dessen Name ich vergaß.«
    »Er ist nicht weiter wichtig«, warf Ungemach ein.
    »Mondschein sagt: ›Ein Sohn muss gehen, wohin ihn sein Vater gehen heißt. Das ist vorüber. Ein Freund soll gehen, wohin ihn
     sein Freund zu gehen bittet. Das ist jetzt.‹ Wo ich vorhin saß und auf euch wartete, führt eine frische Spur nach Norden.
     Mondschein bittet Glück, dieser Spur zu folgen.«
    Der Mann schwieg und wandte sein Pferd. »Bollwo?«, fragte er kurz.
    »Bolna«, antwortete Glück ergeben.
    »Wenn es an dem ist«, sprach der Mann freundlicher, möchte ich dir einen Rat geben. »Schlage dein Zelt hier auf und warte
     den Tag ab. Die Spur ist schwach, du könntest sie in der Nacht verlieren. Reite aber früh weiter, denn hier gibt es nichts
     für die Kamele, kein Futter und kein Wasser. Am Nachmittag wirst du beides finden.«
    »Mehr nicht?«, fragte Glück.
    »Was erwartest du noch?«
    »Wie der Brunnen heißt«, wollte Glück wissen.
    »Er heißt Namenlos.«
    »Ach so!«, sagte Glück, und dann verneigte er sich zum Abschied, denn der Mann war herrisch und hatte ein Gewehr.
    »Gut schlafen!«, rief der Fremde. Er trieb sein Pferd an, und er ritt auf dem Weg zurück, den er gekommen war.
    Glück wandte sich unsicher nach Christian und Großer-Tiger um. Auf einmal war er nicht mehr der befehlende Herr, der den Weg
     bestimmte und den Lagerplatz für die Nacht. Ein anderer hatte das Kommando an sich gerissen.
    Es war aber nicht so, wie es beim General Wu gewesen war. DerGeneral Wu hatte gesagt: »Glück, fahre mich nach Hwai-Lai-Hsien.« Da war Glück nach Hwai-Lai-Hsien gefahren, und der General
     hatte befohlen: »Halt! Ich steige aus.« Das war klar und einfach gewesen, und es war selbstverständlich, dass Glück gehorchte,
     denn hinter den Anordnungen des Generals Wu spürte man nur die Landkarte mit den Fähnchen und das Rechenbrett. Gefühle gab
     es keine. Hier aber sprach einer von weit her aus dem Dunkel der Nacht und bat um einen Freundschaftsdienst, und hinter der
     Bitte stand eine Drohung. Es war nicht gesagt worden, was passiere, wenn Glück nicht folgte, denn es lohnte nicht, davon zu
     reden. Eine Auflehnung war unmöglich. »Abladen«, befahl Glück zornig, und dann stellte Ungemach zum ersten Mal das Zelt auf.
     Christian und Großer-Tiger hatten sich das fröhlicher vorgestellt. Sie hatten gedacht, dass Christian »Hierher« und Großer-Tiger
     »Dorthin«, und dass Glück schließlich »Na, meinetwegen«, sagen würde. Stattdessen suchte Ungemach schweigend einen Platz,
     der ihm geeignet schien, und geeignet war hier alles. Der Boden war glatt und hart, die Steine, die herumlagen, schob Ungemach
    

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