Großer-Tiger und Christian
beiseite, und dann breitete er das Zelt aus mit dem Endzipfel nach Norden. Dort schlug Ungemach mit einem schweren Hammer
den ersten Pflock ein. Nachher schob er die Tragstange durch die Ringe im Dach, befestigte die Stützen und schlug zwei seitliche
Pflöcke ein. Dann zog er das Zelt hoch. Es ging sehr geschwind. Christian und Großer-Tiger legten derweil eine Leine am Boden
aus, machten sie mit zwei Zeltpflöcken fest, und dann führten sie die Kamele im richtigen Abstand nebeneinander an die Leine.
Sie riefen »Zuck! Zuck!«, und als die Kamele sich legten, banden sie sie für die Nacht an.
Glück war verschwunden. Als er nach einer Weile wiederkam, hatte er einen Armvoll Tamariskenstrünke, die knapp für ein Feuer
reichten.
Der Mond ging auf. Solang er sich über den Horizont erhob, sah er aus wie ein feuerroter Brand, nachher wurde er gelb, und
schließlich strahlte er still und bleich über dem toten Land.
»Ich freute mich«, sagte Glück, »zwischen den vier Meeren nach Belieben zu reiten. Ich wollte Lager machen, wo ich es für
gutfand, oder wo es mir gefiel. Kommt denn immer einer, der einem die Art zu sein und die Art zu handeln vorschreibt?«
Ungemach rührte den Tee um. »Ich habe es nie anders erfahren«, sagte er, und streute eine Prise Salz in den aufwallenden Tee.
»Und was sagt dein Großvater?«, erkundigte sich Glück.
»Wenn des Großen Übergewicht drückend wird«, erklärte Großer-Tiger, »ist die Zeit gekommen, stille zu halten, und der gerade
Weg wäre nicht der kürzeste.«
»Wenn es an dem ist«, sagte Glück, »müssen wir die krummen Wege gehen. Dein Großvater hat sich als wackerer Mann mit gutem
Rat bewährt.«
Sie tranken Tee und wärmten sich die Hände über dem Feuerchen. Auch das Zelt wurde ein wenig warm davon, aber als Glück sagte:
»Wir haben nur noch sechs Stunden, und wir wollen schlafen«, suchten sie zusammen, was es zum Zudecken und zum Unterlegen
gab. Christian brachte dem Pudel einen Napf mit lauwarmem Wasser, und Glück, der vorsorglich alle in Ollon-Torre zurückgebliebenen
Filzdecken mitgenommen hatte, breitete sie am Boden aus. Christian und Großer-Tiger deckten sich mit dem Fellmantel zu, und
Glück und Ungemach schliefen miteinander unter dem Mantel mit den goldenen Knöpfen.
»Wenn unser Hund nur nicht den Strick durchbeißt«, sagte Großer-Tiger.
»Er wird ihn auffressen«, sagte Ungemach, »die Dreizehn-Korn-Ernährung ist nicht jedermanns Sache.«
»Er ist kein gewöhnlicher Hund«, widersprach Christian, »er weiß, dass er auf die Kamele und auf uns Obacht geben muss. Das
macht viel aus.«
»Tinger metne«, sagte Glück, und dann ging das Feuer aus. Der Pudel, der sich auf die Satteldecke Christians gelegt hatte,
gähnte laut. Er war viel zu müde, um Stricke durchzubeißen.
Am andern Morgen bewährte sich Glück als Frühaufsteher. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, da war er schon unterwegs und
riss dürre Tamarisken aus, die er im Morgengrauen leichter fand als in der vergangenen Nacht. Es gab ein besseresFeuer, und während Ungemach den Tee kochte, sattelten Großer-Tiger und Christian. Der Pudel bekam wieder lauwarmes Wasser,
und als die Sonne aufging, standen die Kamele auf, und die Reiter saßen schon oben.
Am Tag war die Gegend anders als in der Nacht. Die Hügel, die die Dunkelheit verschluckt hatte, waren alle da; und die Tamarisken
sahen aus, als habe ein Kind hier und dort ein Hölzchen in einen Sandhaufen gesteckt. Im Norden gab es blaue Berge mit gezackten
Graten, die in der Morgenluft schwammen. »Wo ist die Spur?«, fragte Christian, als Glück von der Karawanenstraße abbog.
»Du musst aufpassen«, knurrte Glück.
Ungemach hielt sein Kamel an, und das Lastkamel blieb auch stehen. »Da es nun einmal so ist«, sagte Ungemach und schaute,
ob Glück weiterritt, »und weil die schlechte Sache angefangen hat, muss man auf alles Obacht geben, was passiert.«
»Ich habe nichts bemerkt«, sagte Großer-Tiger.
»Ist was passiert?«, fragte Christian.
Ungemach schaute noch einmal nach Glück, aber Glück ritt weiter, und man merkte, dass er mit Aufpassen genug zu tun hatte.
Ungemach sagte: »Hier sind neben den Kamelspuren auch Pferdespuren. Zwei davon gehen nach Norden, und Glück reitet ihnen nach;
die Übrigen folgen der Karawanenstraße nach Westen, und was uns betrifft, gehen sie uns nichts mehr an, wenigstens vorläufig
nicht.«
»Aha!«, sagte Christian.
»Wir begreifen«,
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