Großer-Tiger und Christian
näherem Zusehen vier oder fünf davon.
»Irgendwo wächst hier Gras«, sagte Glück. »Gras bedeutet Wasser, und Wasser bedeutet, na … es ist egal, was es bedeutet. Wir müssen jedenfalls umkehren, wir finden doch nichts.«
Er wandte sein Kamel, und weil keiner einen besseren Rat wusste, ritten sie die steinige Halde wieder hinab, bis zu dem ausgetrockneten
Seebecken. Der Pudel trottete nebenher, und Ungemach blickte ihn strafend an. Als sie zu der Stelle kamen, wo man die Spuren
Mondscheins und Donnerkeils wieder sehen konnte, stieg Glück ab, um einen letzten Versuch zu machen. Er ging zu Fuß, und er
betrachtete den Boden Schritt für Schritt. Manchmal glaubte er, die Spur zu entdecken, aber dann gab es kein Stückchen freier
Erde mehr, und der grausame Steinbewurf deckte alles zu. Einige Dornensträucher und niedere heidekrautähnliche Büsche wucherten
darin. Auch gab es vereinzelte Disteln. Glück kehrte um und hieß sein Kamel sich niederlegen.
Als er wieder im Sattel saß, sagte er zu Christian: »Lass den Hund frei. Wir reiten zur Karawanenstraße zurück, da wird er
nicht davonlaufen.«
»Bolna!«, rief Christian und sprang vom Kamel, »der Hund wird sich freuen.«
»Er wird unsere Angelegenheiten gänzlich ruinieren«, prophezeite Ungemach.
Der Pudel, der teilnahmslos mitgezottelt war, hüpfte vor Freude, als Christian ihn von dem Strick befreite.
»Komm her!«, rief Christian, und er nahm ihm auch das lästige Halsband ab.
Dann begann der Rückzug. Glück ritt voran, und der Pudel rannte weit voraus. Hier war kein holpriger Boden. Er war glatt und
ohne Steine, und als der Pudel sich umdrehte und bellte, damit alle erfuhren, wie glücklich er jetzt sei, fegte sein Schweif
über den braunen Grund mit den vielen Rissen. Aber kein Staub wirbelte auf. Nur ein dünnes rotes Bändchen flog empor, und
der Pudel haschte danach. Es fiel ihm vor die Füße, und als er es einige Male mit den Pfoten umgedreht hatte, beschnupperte
er es ernsthaft. Dann richtete er sich auf und bellte stolz wie damals, als er den Mantel Christians gefunden hatte.
»Hund, was hast du da?«, fragte Glück.
»Man muss betrübt sein«, sagte Ungemach, »es handelt sich um den Überrest eines Verstorbenen.«
»Ein bisschen wenig ist übriggeblieben«, spottete Glück.
»Kein Überrest«, rief Christian, »das Bändchen gehört dem Hengst; es war in seine Mähne geflochten.«
»Er hatte zwei«, sagte Großer-Tiger.
»Nimm es mit«, riet Glück, »solche Bändchen kriegt ein Pferd, wenn es ein Rennen gewonnen hat. Bring es dem Uralten-Herrn
als ein Geschenk, da wird er sich freuen.«
Christian stieg ab und hob das rote Bändchen auf. Am Ende war ein Knoten, und in dem Knoten steckten zwei helle Mähnenhaare.
»Hund«, lobte Christian, »du bist kein gewöhnlicher Hund.« Er streichelte ihm den dicken Kopf, und dann sagte er noch einmal
»Hund!«, denn die Worte Siebensterns fielen ihm ein. Er sprach das zweite »Hund!« aufmunternder als vorher, und dabei hielt
er dem Pudel das Bändchen unter die Nase.
»Such«, rief Christian, »Verloren-wiederkomm!«
Es schien, als ob der Pudel nur darauf gewartet hätte. Er lief, und obgleich es hier nicht nötig war, hielt er die Schnauze
dicht über dem Boden, bis er dahin kam, wo die Spur in den Steinen aufhörte.
»Aus«, sagte Glück.
»Nicht aus«, rief Christian, »er wartet bloß auf uns.«
»Ist was los?«, fragte Ungemach, der nicht mitkam.
»Der Hund zeigt uns den Weg«, setzte ihm Christian auseinander.
»Er ist ein Auskunftsvermittler«, erklärte Großer-Tiger, »Kompass-Berg hat ihn gebeten, uns zwei Längen Weg zu führen.«
»Etwas spät«, sagte Glück zweifelnd, aber er wandte sein Kamel und ritt wieder zurück.
»Dreimal hin und dreimal her«, sagte Ungemach, »es ist ein hübsches Spiel.«
Sie waren aber noch nicht am Rand des Beckens angelangt, als sich der Pudel erneut in Trab setzte. Statt den Berghang hinaufzulaufen,
wohin die bisherige Richtung der Spur wies, bog ernach Osten und lief über den Kies, der sich am Fuß des Hangs staute. Die Kamele mussten langsam gehen, weil die Steine rutschten,
und weil es eine sanfte Schräge aufwärtsging. Nachher fiel die Kieshalde ebenso sacht ab und endete in einem weiten Tal. Es
umschloss ein zweites braunes Becken, aber Hufspuren sah man keine darin. Der Pudel lief weit voraus. Als das Tal enger wurde,
und als Treibsand, den die Stürme hineingetragen hatten, den Grund
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