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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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sah die Felsblöcke,
     zwischen denen das Wässerchen floss und irgendwo versickerte. Man sah den blauen Himmel mit den Wolkenbögen und hoch oben
     die Adler. Doch dazu musste man den Blick anstrengen. Während alle Bohnennudeln aßen, langte Gontschuk ein Stück getrocknetes
     Hammelfleisch aus dem Sack und verteilte es.
    »Wir wollen es lieber ohne Sand essen«, sagte er. Nachher tranken sie Tee, und der Pudel bekam ein Stück Fleisch.
    Er lag vor dem Zelt, legte den dicken Kopf auf die Vorderpfoten, fraß die übriggebliebenen Knochen und sah weiter nicht unglücklich
     aus. Bevorstehende Naturkatastrophen kümmerten ihn wenig.
    Es mochte gegen vier Uhr sein, als sich der Wolkenbogen schloss. Die Sonne strahlte unermüdlich freundlich, und Glück war
     eben dabei, Gontschuk Grüße von Vater Naidang auszurichten, die ihm nicht aufgetragen waren. Damit hoffte er den Grund für
     eine ausgiebige Unterhaltung zu schaffen; aber Ungemach reckte plötzlich den eingezogenen Kopf, wies mit dem Zeigefinger nach
     oben und sagte: »Die ärgerliche Sache beginnt.«
    Alle außer Gontschuk schauten geschwind, wohin der Finger Ungemachs zeigte. Er wies nämlich nicht auf einen festen Punkt.
     Das war nur im Anfang und nur für einen Augenblick. Dann bewegte sich der Finger Ungemachs abwärts, und Christian und Großer-Tiger
     sahen gerade noch, wie zwei Körper aus dem Himmel stürzten und knapp über den Felsen die Schwingen breiteten. Dann strichen
     die Adler ab und verschwanden. Sie hatten sich in Sicherheit gebracht.
    »Na meinetwegen«, sagte Glück gelassen.
    Gleich darauf wurde es finster wie in einem Keller mit trüber Deckenbeleuchtung. Das Heulen des Sturms und das Gejohle, mit
     dem er in den Felsenkessel brach, beachtete niemand, denn ein Haufen kleiner und mittelgroßer Steine prasselte auf das Zelt.
     Sie hatten offenbar auf dem Rand des Felsplateaus gelegen und schon lange auf den Absturz gewartet. Nun fielen sie senkrecht
     in die Tiefe, und Glück, der hinten im Zelt auf dem Ehrenplatz saß, bekam die meisten ab und die dicksten. Er tat einen lauten
     Schrei.
    Gontschuk ließ murmelnd die Gebetskette durch die Finger gleiten, Ungemach zog den Mantel mit den Goldknöpfen über den Kopf,
     und Christian und Großer-Tiger flüchteten unter den Schafpelz. Niemand wusste, wie es geschah, aber plötzlich war auch der
     Pudel im Zelt und suchte bei Christian Schutz. Draußen schlugen die Pferde und zerrten an der Leine.
    »Mein guter Hund«, flüsterte Christian und streichelte ihm dienasse Schnauze. »Nur keine Angst«, tröstete Großer-Tiger und hielt ihm die zitternde Pfote.
    »Nur keine Angst«, wiederholte Ungemach tapfer und fiel mitsamt dem Teekessel über den bleichen Glück. Der Boden zitterte
     dumpf, und die Zeltstangen wurden vom Luftdruck mindestens eine Handbreit hochgehoben. Es war nur für einen Augenblick, aber
     es reichte gerade, dass Glück seinen Daumen darunterschieben konnte und nicht wieder loskriegte. Es musste was passiert sein.
    Über den heißen Tee rollte ein grässlicher Donnerschlag. Es zischte auch, und es stank, aber das war zum Glück nur der glühende
     Kamelmist, den das Teewasser löschte. Trotzdem blieb die Asche so heiß, dass sich der Pudel in der Aufregung die Pfoten verbrannte
     und Ungemach auf den Rücken sprang. Dort blieb er liegen, und Ungemach blieb auch liegen, denn Glück erhob sich ebenfalls
     nicht. Er hatte ja den Daumen unter der Zeltstange. Christian und Großer-Tiger standen als erste auf. Es war immer noch dunkel,
     aber der Boden zitterte nicht mehr, der Donner war verhallt, und nur noch kleine Steine flogen pfeifend über das Zeltdach.
     Sie schlugen in einiger Entfernung ins Gras. Dafür hörte man das Brüllen des Sturms, man sah die Sandwolken, die er mit vollen
     Händen in den Felsenkessel warf, und über allem hing die Sonne wie ein ferner roter Lampion. Der Pudel schlich schuldbewusst
     aus dem Zelt.
    Gontschuk wickelte die Gebetskette um das Handgelenk und blickte sich nach Überlebenden um.
    »Ist wem was passiert?«, fragte er.
    »Mir nicht«, versicherte Christian, und er rüttelte Ungemach.
    »Mir auch nicht«, meldete Ungemach, »oder nicht viel.« Er versuchte sich aufzurichten, und als es ging, war er blass, aber
     erfreut.
    »Mein herzliches Beileid«, sagte Ungemach, »Glück ist hin. Ich bitte die Herren Fürstensöhne, ihre Trauer zu mäßigen.«
    »Wie?«, schrie Großer-Tiger, »was sagst du da?«
    »Ich kann nicht darüber

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