Großer-Tiger und Christian
bedeckte, waren auch die Spuren wieder da.
Eine halbe Stunde wanderte die kleine Karawane bergauf, und schon ahnte man eine Hochebene und eine große Freiheit, als der
Pudel in einem Seitental verschwand. Felsbrocken lagen im Weg, und Glück sprang als erster vom Kamel.
»Ich merke«, sagte Ungemach, »wir kommen ins Gedränge, bevor einer von uns sagen kann: ›So etwas wünschen wir nicht.‹«
Er stieg murrend ab. Großer-Tiger und Christian sprangen auch aus dem Sattel, und dann führten sie die Kamele unter einer
Felswand entlang, bis die zerklüftete Gegenseite zurücksprang und den Blick in einen Kessel freigab. Darin sah es aus wie
in einem verlassenen Steinbruch. Was aber keiner erwartet hatte, war das hohe Derresgras, das den Talgrund füllte, und einige
verkrüppelte Mehlbeerbäume, die an den Rändern zwischen Gestrüpp um ihr Dasein kämpften. In der Mitte war die Felswand eingestürzt.
Ihre Trümmer lagen weit verstreut, und der nachfolgende Erdrutsch verbarg den rückwärtigen Teil des Kessels. Dort hörte man
den Pudel bellen, sehr laut und so, als ob er hüpfen würde und eine große Freude hätte. Das Gebell kam näher, und als Glück
um die Schutthalde des Erdrutschs bog, wo der Boden weich war, trabte ihm ein Reiter entgegen. Er saß auf einem Eisenschimmel,
und Christian kannte das Pferd gleich.
Sowie der Reiter sah, dass Glück zu Fuß ging und sein Kamel hinter sich drein zog, sprang er ab.
»Habt ihr eine gute Reise gehabt?«, fragte er und verneigte sich höflich.
»Ruhst du in Frieden, Gontschuk?«, grüßte Glück.
»Ich habe durch Saumseligkeit meine Pflicht verletzt«, bekannte Gontschuk.
»Mondschein befahl mir, euch bis zum trockenen See entgegenzureiten. Ihr müsst früh aufgebrochen sein.«
»Wir waren auf dem besten Weg des Nichtgekommenseins«, sagte Ungemach, »da hat uns das schwarze Stück Hund zu dir geführt.«
»Darf ich bitten«, rief Gontschuk erschrocken, »diese Sache Mondschein gegenüber nicht zu erwähnen.«
»Wie sollten wir?«, sagte Glück lachend, »wir sind ja da. Bist du allein?«
»Ich bin allein«, antwortete Gontschuk, »und ich wollte nach Hause reiten, sobald ich euch gesehen hätte; aber jetzt geht
es nicht.«
»Warum geht es nicht?«, fragte Glück.
»Ist was passiert?«, erkundigte sich Ungemach.
»Es wird was passieren«, erklärte Gontschuk und deutete empor. Alle schauten, was es da gebe, und Ungemach beschattete die
Augen, damit ihm nichts entginge.
Die Sonne stach ein wenig, aber die eiligen weißen Wölkchen flogen nicht mehr. In großer Höhe schwebten zwei Adler, und wenn
man ihrem ruhigen Flug glauben durfte, stand die Luft still. Der blaue Himmel wölbte sich über den Felswänden. Er war ehrlich
blau bis auf zwei durchsichtige weiße Bänder, die sich im Norden und im Süden erhoben und einander entgegenstrebten wie bei
einem Brückenschlag, dem noch das Mittelstück fehlte. Allein, das war es eben.
Gontschuk hob die Arme über den Kopf, und als sich seine Hände berührten, sagte er bedeutungsvoll: »Bis dahin sind es drei
Stunden.«
»Ich hatte es nicht bemerkt«, sagte Ungemach, »gegenwärtig bemerke ich es.«
Glück nickte bloß, und er sagte: »Jetzt heißt es die Körper bewegen.«
Er nahm sein Kamel am Strick und schritt eilends voran. Gontschuk wies ihm den Weg, aber man sah es auch so, dass der Kessel
zu Ende war. Die Felsen standen senkrecht über einerSandbank und über einer Wasserlache, aus der ein Wässerchen kam, das zeitweilig Pfützen bildete, dann weiterfloss und sich
in der Derreswiese verlor. Beim Näherkommen hörte man Tropfenfall.
Auf der Sandbank lagen die wenigen Habseligkeiten Gontschuks: Ein Kochkessel, ein Sack mit was darin, zwei Felldecken und
einiges Riemenzeug.
»Wir haben ein Zelt«, sagte Glück.
»Unter den Felsen ist es am sichersten«, behauptete Gontschuk, »wenn nicht gerade ein Stein fällt oder der Berg einstürzt.«
»Wir sind in des Himmels Hand«, erwiderte Glück, und dann wurde abgeladen.
Neben der Sandbank gab es festen Boden, und Ungemach schlug das Zelt auf. Wieder geschah es schweigend und ohne die von Großer-Tiger
und Christian erwartete Fröhlichkeit. Glück sagte nicht einmal: »Na meinetwegen!« Er hieß Großer-Tiger die Kamele tränken,
und Christian musste derweil das Wasserfass leeren und mit frischem Wasser füllen.
Das Wasser war klar und kalt, aber es war kaum fußtief. Nur unterhalb des Felsens gab es eine Stelle, wo
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