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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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paarmal noch mussten die Bretter vorgelegt werden, dann war das Flussbett überwunden, und
     die steinige Bergstraße begann. Glücklicherweise war sie breit genug, und es gab wenige Stellen, an denen der Abgrund nahe
     war.
    »Wenn Seine Exzellenz erlaubt«, sagte der Wirt, »werde ich vorausgehen.«
    »Geh immer voraus«, sagte Glück, »du kennst dich hier aus, alter Rotbart.«
    »Der Herr Glück belieben zu scherzen.«
    »Ich beliebe mit der Pistole zu schießen, wenn es schiefgeht.«
    »Oh, bitte sehr«, rief der Wirt erschrocken, »es wird nicht schiefgehen, und es wird nicht krummgehen. Euer Weg eben Friede!«
     Er beeilte sich und stand schon an der ersten Serpentine. Christian und Großer-Tiger kamen hinterdrein. Jeder trug einen schweren
     hölzernen Hemmschuh, den ihnen Glück gegeben hatte mit der Anweisung, ihn unter die Hinterräder zu schieben, falls der Wagen
     nach rückwärts rolle.«
    »Fördernd ist der Südwesten«, rief der Wirt, »noch etwas mehr, bitte sehr! – So, und jetzt   … Halt! So geht es nicht.«
    »Was geht nicht?«, rief Glück.
    »Die Felsen gehen nicht aus dem Weg«, sagte der Wirt; »etwas zurück und nach Osten!«
    »Du sollst links und rechts sagen!«, schrie Glück.
    »Seine Exzellenz mäßige ihren Zorn. Mit rechts und links kenne ich mich nicht aus.«
    »Dann zeige mit den Händen!«
    »Mit den Händen kann ich nicht zeigen«, behauptete der Wirt; »es könnte hierherum Leute geben, die meinten, ich mache Zeichen.«
    »Ich will nicht hoffen, dass es solche Leute gibt«, sagte Glück drohend.
    »O weh und o je«, jammerte der Wirt, »da ist keine Hilfe. Vielleicht kann einer der jungen Herrn vorausgehen. Oben bei dem
     kleinen Tempel sitzt ein Hütebube, der auf meine Schafe achtgibt. Man muss ihm sagen, dass er sich nicht von der Stelle rührt,
     der kleine Halunke. Sonst könnte er meinen   … Bitte sehr, solche Hütebuben meinen oft etwas.«
    »Vielleicht«, sagte Glück, »könnte er meinen, du seist noch der alte Spitzbube. Los, Großer-Tiger, lauf hinauf!«
    »Darf Kompass-Berg mit mir kommen?«, fragte Großer-Tiger.
    »Ihr müsst wohl immer beisammen sein? Meinetwegen, gehtbeide. Grünmantel soll die Hemmschuhe nehmen. Aber jetzt lauft!«
    »Hier, Herr Grünmantel, ist der Bremsklotz«, sagte Großer-Tiger.
    »Darf ich bitten, sich zu bedienen?« sagte Christian.
    Dann liefen beide dem Wagen voraus. Die Straße wand sich in viermaliger Wiederkehr zum Wasserfall hinauf. Als sie oben anlangten
     und in das baumlose Tal blickten, wo sich die Höhenzüge wie Falten eines Gewands in schattige Tiefen auflösten, erinnerte
     sich Christian plötzlich an eine Schulstunde.
    »So sieht es auf dem Mond aus«, sagte er.
    Großer-Tiger wunderte sich; aber da keine Zeit zu fragen war, sagte er nichts. Er schaute sich nach dem Hütebuben um, und
     als er den Tempel am Hang liegen sah, begann er das letzte Stück Weg zu laufen. Christian lief hinterdrein.
    Auf der obersten Stufe des Tempelchens lehnte an einer der beiden Holzsäulen, die das vorspringende Dach trugen, ein großer
     Junge. Er hatte Pelzhosen an und einen offenen Kittel aus Schaffell. Der Oberkörper darunter war nackt, und man sah, dass
     der Junge kräftig war und dass er um einiges älter sein mochte als Großer-Tiger und Christian. In der einen Hand hielt er
     einen ansehnlichen Stock, mit der andern beschattete er die Augen. Ein kurzer schwarzglänzender Zopf hing ihm im Nacken.
    Der Junge blickte nicht auf Großer-Tiger und nicht auf Christian. Er schaute den Steilhang hinab, wo man, wenn man sich etwas
     vorbeugte, den Lastwagen noch immer vor der ersten Serpentine halten sah. Zwanzig Schritte voraus im Innern der Straßenbiegung
     stand der Wirt mit offenem Mund und schaute nach oben. Grünmantel war nicht zu sehen.
    »Hallo!«, rief Christian, so laut er konnte.
    »Wir sind da!«, rief Großer-Tiger.
    Gleich darauf begann der Motor zu brummen, man hörte das Geschrei des Wirts, und Steinschlag polterte zu Tal.
    »Was habt ihr zu rufen?«, fragte der Hütebube barsch; »hier braucht niemand Geschrei zu machen.«
    »Wir sind gekommen«, begann Großer-Tiger, »um dir zu sagen, du sollst dich nicht von der Stelle rühren.«
    Der Hütejunge blickte höhnisch auf Großer-Tiger. »Bist du der Herr Provinzamtmann?«, fragte er. »Geh fort, du verfinsterst
     mir die Aussicht.«
    Er schob Großer-Tiger beiseite und machte Miene, ihn die Stufen hinabzustoßen. Bei alledem blieb sein Blick starr nach unten
    

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