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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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wohin sie führte.
    Dampignak hielt, und alle stiegen ab.
    »Pfötchen«, sprach Dampignak ernst, »ich bin nicht gewohnt, dir zu befehlen. Heute muss ich es tun.« Er hob den Daschior und
     zeigte auf die Ecke einer braunen Felswand, die sich den Bergfalten und der schwarzen Schlucht entgegenstellte.
    »Dort beginnt Fallende-Wand«, sagte Dampignak, »lass dein Pferd hier, geh in die Schlucht und suche dir einen passenden Platz.
     Wir gestatten dir, einen Blick in das Tal zu tun, damit du siehst, was dort vor sich geht. Nachher ziehst du dich in die Schlucht
     zurück, wo du die Nacht über bleibst bis zum Sonnenaufgang. Wir verbieten dir, selbständig zu handeln. Wir erlauben dir aber,
     auf jeden zu schießen, der durch den Engpass nach draußen will.«
    »Auch auf den Dritten?«, fragte Mondschein, »Ihr spracht von einem Dritten.«
    »Auch auf den«, sagte Dampignak.
    »Woher kommt denn auf einmal dieser Dritte?«, erkundigte sich Mondschein. »Pfötchen!«, rief Dampignak, »dummes altes Pfötchen!
     Glaubst du, ein Esel liefe allein nach Fallende-Wand, bloß damit Schong-Ma reiten kann?«
    »Ach so«, sagte Mondschein zerknirscht. »Wenn es aber ein Unschuldiger wäre, der den Esel brachte, ein Bauer zum Beispiel,
     oder so einer?«
    »Kein Bauer«, widersprach Christian.
    »Ganz unschuldig ist er auch nicht«, sagte Großer-Tiger.
    »Aha!«, rief Mondschein, »ihr wisst wieder mal, was keiner weiß.«
    »Wir denken uns bloß was«, setzte Christian auseinander, »und nachher ist es manchmal so.«
    »Und was habt ihr gedacht?«, erkundigte sich Dampignak.
    »Meistens denken wir das Gleiche«, sagte Großer-Tiger. »Kompass-Berg denkt, dass der dritte Mann kein Bauer ist, sondern ein
     Soldat.«
    »Und Großer-Tiger denkt, dass er Schlangenfrühling heißt«, erklärte Christian.
    Mondschein pfiff durch die Zähne. »Ich erinnere mich«, sagte er, »das ist der Schuft, der am Edsin-Gol auf Glück schoss. Sollte
     mich freuen, ihn auf zwei Augenblicke vor das Rohr zu kriegen.«
    »Nimm dir was zu essen mit«, sagte Dampignak, »und geh.«
    Großer-Tiger öffnete seinen Reisesack, in dem auch das Kästchen war, und jeder nahm sich, was er für den Abend brauchte. Dann
     holte Mondschein die Pistolentasche vom Sattel, langte die Pistole heraus und steckte sie in den Gürtel. »Es geht geschwinder«,
     sagte er entschuldigend, »und man weiß nie, wann es pressiert.«
    »Pfötchen, ich verlasse mich auf dich«, mahnte Dampignak.
    »Ich höre und gehorche«, erwiderte Mondschein, und dann verabschiedete er sich umständlich von Christian und Großer-Tiger.
     »Hütet euch vor dem fallenden Tod, ihr Heldensöhne«, mahnte er, »unter einem Felsen bleibt die Luft ganz weg, und hervorziehen
     kann ich euch auch nicht oder nur zur Hälfte.« Großer-Tiger und Christian wollten »Sä Jabonah« rufen, aber der Uralte-Herr
     verbot es ihnen. So winkten sie Mondschein, der abwärts schritt und hinter Felsvorsprüngen verschwand.
    »Wir reiten«, sagte Dampignak.
    Er wandte seinen Hengst, nahm das ledige Pferd Mondscheins am Zügel und ritt auf dem Weg zurück, den sie gekommen waren. Großer-Tiger
     und Christian folgten ihm, aber keiner wusste, was davon zu halten sei, bis sie nach einem Li dahin kamen, wo Dampignak schon
     vom Pferd gestiegen war und auf sie wartete.
    Die braunen Felsen von Fallende-Wand waren verschwunden, und auch den Hohlweg sah man nicht mehr. Rechts lag das Hochplateau
     mit den vielen Schrunden und Klüften, links ging es in die Berge. Sie waren mit grauem Staub bedeckt, und es sah aus, als
     ob gelegentlich ein Steinregen fiele, der sich dann in großen Halden sammelte. Die Falten, die von dem breiten Rücken des
     Gipfels zu Tal liefen, zeigten Licht und Schatten, aber kein Grün, nicht einmal eine Distel.
    »Ist dort 2156«, fragte Dampignak.
    »Es muss wohl so sein«, antwortete Christian, »die Berge sind alle niedrig, aber dieser ist der höchste.«
    »Ich sehe keinen, der höher wäre«, sagte Großer-Tiger.
    »Jabonah«, befahl Dampignak.
    Großer-Tiger und Christian zogen die Mäntel aus und legten sie über die Sättel, während der Uralte-Herr nach einem Aufstieg
     suchte.
    Er suchte lange. Seine Augen wanderten über die Steinkare, über die Felsen und über alle Falten bis zum Gipfel.
    »Mit Pferden geht es nicht«, sagte Dampignak plötzlich, »wie lange braucht ihr, bis ihr oben seid?«
    »Wir ziehen die Stiefel aus«, sagte Großer-Tiger, »da geht es schnell.«
    »Eine Stunde«,

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