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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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her‹, und es ist der Falsche.«
    »Setzt euch zu mir«, sprach Jolleros-Lama, »ich muss leise mit euch reden, denn die Wände könnten Ohren haben.«
    Christian und Großer-Tiger kletterten auf den Kang; Christian setzte sich links, und Großer-Tiger setzte sich rechts neben
     den Gegen.
    »Ein Platz ist noch frei«, bemerkte Jolleros-Lama zu Bator; »setz dich mir gegenüber, mein Sohn, und sage mir, wer du bist.«
    »Mein geringer Name Bator sein, Sohn von Vater Dogolon und Sohnessohn von Großvater Nicht-gibt-es-nicht. Das alles wie Windhauch
     etwa, der vorüberwehen, und nicht wert sein, zu reden davon.«
    Während Bator das sagte, schien es, als ob der Gegen einen Augenblick überrascht auf Bator blickte; doch er sprach ruhig wie
     zuvor: »Schau mich an, Sohnessohn des Mannes Nicht-gibt-es-nicht. Hier ist der Platz, auf den du dich setzen sollst.«
    »Große Ehrfurcht sagen: Nein«, erwiderte Bator, »Herz sagen: Ja«, und er schlug zaghaft die Augen auf. Dann setzte er sich
     gehorsam auf den ihm angewiesenen Platz.
    »Prinz«, sprach Jolleros-Lama, »ich danke Euch, dass Ihr mirdie drei Übeltäter zugeführt habt. Hört auch Ihr, wie sich in dieser Stunde fügt, was lange Jahre trennten.«
    Der Belin-Prinz verneigte sich leicht und sagte leise: »Wir vernehmen in Ehrfurcht Eure Worte.«
    »Vor zwanzig Jahren«, sprach Jolleros-Lama, »reiste ich nach Urga zum Fest der Sieben Staaten. Auf allen Wegen ritten fröhliche
     Menschen in seidenen Gewändern und auf ihren besten Pferden. Am vierten Tag rastete ich mit meinen Begleitern am Brunnen Gelber-Hügelriss.
     Dort traf ich einen jungen Mann, der traurig war, und seine Augen blickten finster, denn er hatte einen schrecklichen Eid
     geschworen, viele Menschen zu töten als Vergeltung für das, was ihm widerfahren war. Er trat in mein Zelt, und ich sagte:
     ›Du verfinsterst das Licht, so lebt kein Edler.‹ Aber der Mann schwieg. Ich sagte: ›Hochmütiger Drache wird zu bereuen haben.‹
     Da warf sich der Mann zu Boden, zog einen Ring vom Finger, und sagte: ›Nimm diesen Ring des Zorns, bei dem ich mit zwanzig
     anderen geschworen habe, aber verlange nicht mehr von mir.‹
    Ich betrachtete den Ring, und es war eine Schlange aus Silber, die sich in einem Doppelreif um den Finger wand.
    ›Die Schlange‹, sagte ich, ›ist nicht allein das Bild des Zorns; die Schlange ist auch ein verachtetes Tier, weil sie an der
     Erde kriecht, und so ist sie das Bild der demütigen Bescheidenheit. Ich will deinen Ring tragen, damit ich stets der Demut
     eingedenk bleibe.‹
    Da weinte der Mann, und ich wusste, dass er den Ring um der neuen Deutung willen gern wiedergehabt hätte. Er wurde sanft wie
     der Wind, und in diesem Augenblick lag sein Leben vor mir wie ein offenes Buch. ›Ich will dir den Ring wieder geben‹, sagte
     ich, ›wenn meine Tage gezählt sind. In der Stunde, da du die demütige Schlange wieder in Händen hältst, gedenke meiner als
     eines, der aus der Welt ging.‹«
    Jolleros-Lama schwieg, und alle schwiegen.
    Christian betrachtete heimlich den Ring, der eine Schlange war, und er freute sich nicht mehr so viel darüber wie vorher.
     Der Belin-Prinz schlug die Fäuste vor das Gesicht, weinte und sprach mongolisch, und Bator erzählte später, er habe gesagt:»Mit Euch wird das Licht in die Erde sinken; wie sollen wir da weiterleben?« Jolleros-Lama erwiderte nichts auf die Klage
     des Prinzen. Er sagte einfach: »Das ist die Geschichte des Ringes, der eine Schlange ist; sie ist aber noch nicht zu Ende.
     Der Mann bat mich, ihm mancherlei zu sagen, und ich sagte es ihm. Da dankte er mir und wollte weiterreiten, doch ich sagte:
     ›Warte noch eine Stunde. Du hast mir einen Ring gegeben, ich will dich nicht ohne eine Gegengabe ziehen lassen. Weil ich aber
     nichts besitze, musst du bleiben, bis einer kommt und mir etwas schenkt.‹ Wir setzten uns, und wir tranken Tee, und nach einer
     Stunde kam ein fröhlicher Mensch auf einem Kamel. Er sang, und als er mein Zelt sah und von meinen Begleitern erfuhr, wer
     ich war, stieg er ab und bat mich um den Reisesegen. Ich gab ihn gerne, und ich fragte den Fröhlichen, wie er heiße. ›Ich
     bin Nicht-gibt-es-nicht‹, sagte der Mann, ›und ich danke für kräftigen Segen, so kann ich immer vergnügt sein.‹
    ›Nicht-gibt-es-nicht‹, fragte ich, ›hast du mir etwas mitgebracht?‹
    ›Ich bitte um Entschuldigung für große Vergesslichkeit‹, rief Nicht-gibt-es-nicht und griff in seinen Gürtel.

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