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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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Dort verwahrte
     er ein kleines Buch, und in dem Buch lagen drei trockene Fliederblätter. Er gab sie mir, und er sagte, dass er sie von dem
     heiligen Baum in Kumbum gepflückt habe, und obwohl er nur eines habe nehmen dürfen, seien es auf einmal drei gewesen, und
     er wisse nicht, wie das geschehen sei.
    Ich nahm die Blätter und sagte zu dem Mann, der traurig war: ›Nimm dieses Blatt mit dir, damit du weißt, dass es fröhliche
     Menschen gibt, die ohne Arg sind.‹
    Das zweite Blatt gab ich Nicht-gibt-es-nicht zurück, und ich sagte: ›Du Schalk bedarfst keiner Ermahnung; bewahre das Blatt,
     bis du eines Tages in das Schnell-Schwarzwasser-Tal kommst, dann magst du es in den Wind werfen.‹
    Er verstand nicht, was ich meinte, und ich war froh darüber und behielt das dritte Blatt für mich.
    Heute Morgen entfiel es meiner Hand, und als ich es aufheben wollte, zertrat ich es aus Ungeschick. Da stand mit einemmal
     vor meinen Augen, was am Gelben-Hügelriss geschehen war,und darum habe ich es euch berichtet. Ein anderer wird das Fehlende dazutun.«
    »Aber wenn ein Falscher den Ring haben will?«, fragte Christian wieder, »wie soll ich das machen?« Jolleros-Lama lächelte.
     »Du hast an einer Botschaft schwer genug zu tragen«, sagte er; »es war unklug von mir, dir eine zweite aufzubürden.«
    Christian wurde rot und schämte sich sehr, und der Gegen befahl: »Gib den Ring deinem Freund Großer-Tiger. Er hat ohnehin
     einen viel zu prächtigen Namen, so kann ihm eine Minderung durch die Schlange nur nützen.«
    Da gab Christian den Ring an Großer-Tiger weiter, und Großer-Tiger verneigte sich und sagte: »Zehntausendfachen Dank für ehrenwertes
     Vertrauen.«
    »Der, dem der Ring gehört«, sprach der Gegen, »wird sehr erschrecken, wenn er ihn an deinem Finger sieht. Daran magst du den
     Rechten erkennen.«
    Jolleros-Lama schwieg, und dann blickte er auf Bator, dem man anmerkte, wie leid es ihm war, dass er mit dem Ring, der seinen
     Herrn suchte, nichts zu tun hatte. So war er wie erlöst, als ihn der Gegen endlich fragte: »Bator, was hast du mir zu sagen?«
    »Ich sagen große Verehrung und große Bitte von Vater Dogolon. Wir sein Reise vorhabend. Kamele warten, und Dogolon warten
     auch, ob dürfen sich anhängen für zwei Tage etwa an ehrenwerten Reisezug von heiligem Gegen Jolleros-Lama?«
    »Dogolon mag mit uns reisen, solange er will«, sprach der Gegen, »es ist keine Hinderung vorhanden.«
    Darauf senkte er die Augenlider. Christian und Großer-Tiger merkten, dass sie entlassen waren, und Bator stand auch auf. Bevor
     sie die Kammer verließen, beugten sie noch einmal die Knie zum Fußfall der Verehrung. Aber Jolleros-Lama hielt die Augen geschlossen.
     Die Perlenkette der Andacht glitt durch seine Finger, und der Belin-Prinz zupfte Christian und machte ihm ein Zeichen, dass
     sie leise gehen sollten.
    Da ging einer nach dem andern durch die Tür unter das Vordach und dann in den Hof, über dem der kalte Morgenstern funkelte.

Siebzehntes Kapitel, von dem Spiel »Kleine Umwälzung«
    »Wenn man aber den nicht findet, dem der Ring gehört?«, fragte Großer-Tiger.
    »Was dann?«, fragte Christian.
    »Das ganz unmöglich sein«, behauptete Bator, und er war froh, dass er endlich an der Reihe war und sagen konnte, der Ring
     finde seinen Herrn, und darüber gebe es überhaupt keinen Zweifel, denn was der Gegen sage, das treffe ein und sei immer eingetroffen.
    Er blickte herausfordernd auf Christian und Großer-Tiger. Aber sie entgegneten nichts. Sie saßen auf zwei Säcken gegenüber
     dem runden Schirm, den man den Königen vorantrug, auch wenn die Sonne nicht schien, und nebendran lag zusammengerollt das
     Banner mit der mongolischen Schrift, die keiner lesen konnte.
    Hagelkorn, der unter dem Vordach spazierte und gelangweilt überall herumguckte, wurde plötzlich lebhaft. Er kam über den Hof
     gelaufen und murmelte vor sich hin: »Frechheit, Schwere Not!« und ähnliche furchtbare Worte. Er streifte die Jungen mit einem
     bösen Blick; aber Bator stand unternehmend auf und bat ihn, das Tor zu öffnen. Er möchte nach Hause zu seinem Vater, sagte
     er.
    »Nichts da!«, rief Hagelkorn, »vorher müssen wir den Dieb fangen.«
    »Was für ein Dieb etwa?«, forschte Bator.
    »Einen Einbrecher!«, schrie Hagelkorn.
    »Wenn Herr Hagelkorn befehlen«, erbot sich Bator, »wir Diebe und Einbrecher fangen ausgezeichnet haufenweise.«
    Aber Hagelkorn wollte nichts hören. Er lief aufgeregt weiter und weckte

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