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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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Öffnung im Jurtendach, durch die der Rauch bisher abgezogen war.
    »Jetzt bleibt es schön warm«, sagte Glück, »wir wollen schlafen. Holt eure Decken und die Schlafsäcke.«
    Christian und Großer-Tiger gingen zum Wagen. Kaum war Großer-Tiger oben, um Christian die Schlafsäcke herunterzureichen, begann
     ein grässlich ansteigendes Geheule. Es war, als ob der ganze Jammer der Welt aus einem Wolfsrachen käme und kein Ende nehmen
     wollte. Wenn der Wolf Luft holte, glaubte man das Pfeifen zu hören, und wenn er von neuem losheulte, war es, als stünde er
     ganz nah hinter der Jurte, und gleich müsste man seine grünen Lichter sehen, die Atemwolken und den buschigen Schweif. Großer-Tiger
     und Christian fuhren gewaltig zusammen. Christian war nahe daran, auf den Wagen zu klettern, aber Großer-Tiger sagte: »Dieses
     Stück Vieh ist weit weg, es gibt nichts zu befürchten.«
    »Warum heult es denn so?«, fragte Christian.
    »Es stülpt die Eingeweide um«, belehrte ihn Großer-Tiger, ohne sich lang zu besinnen.
    Weitere Fragen wartete er nicht ab. Er sprang flink vom Wagen, und dann kehrten beide in die Jurte zurück. Dabei gingen sie
     etwas schneller als gewöhnlich, denn es war kalt geworden, die Sterne blinkten, und der Wolf hatte aufgehört zu heulen. Wahrscheinlich
     schlich er jetzt näher, um den Wagen zu betrachten, oder er kam herbei, weil es noch nach Ziegen roch.
    In der Jurte bot Sertschi seinen Gästen immer und immer wieder die besten Plätze an; und wenn sich einer weigerte, in der
     Mitte zu schlafen, und lieber am Rand liegen wollte, dann sagte er: »Es ist mir nicht einerlei, was mit dir geschieht. Viele
     Leute erfrieren geschwind, wenn sie am Rand liegen; aber morgen früh muss ich auf die Jagd gehen, da kann ich mich nicht um
     die Gestorbenen kümmern.«
    Dabei teilte er in einem fort Filzdecken und Felle aus, und als jeder eine bequeme Lagerstätte hatte, sagte er: »Schlaft leicht
     und gut!«
    Das geschah auch, denn alle waren sehr müde. Christian lag noch eine Weile wach. Er wollte achtgeben, ob er den Wolf schleichen
     hörte; aber währenddem fielen ihm die Augen zu. Draußen zog die Nacht still vorüber, der Mond ging unter, und die Steine rührten
     sich nicht.
    Gegen Morgen erwachte Großer-Tiger. Er wusste nicht gleich, wo er lag, denn es war finster wie in dem Tunnel am Nanku-Pass.
     Dann erinnerte er sich aber an Sertschi und an Odburrung, an die Frau und an das Mädchen, die auch da waren, obgleich man
     sie beinah nicht bemerkte. Grünmantel und Glück fielen ihm ein und Christian, der neben ihm lag. Großer-Tiger horchte, wie
     sie kräftig atmeten, und wie Grünmantel schnarchte. Dabei kam ihm das Wolfsgeheul vom gestrigen Abend in den Sinn. Ohne es
     zu wollen, hob er den Kopf, und sobald er das getan hatte, vernahm er undeutlich und dann immer klarer den Hufschlag eines
     Pferdes, das näher kam. Offenbar gehörte ein Reiter dazu, der zum Kloster wollte, denn das Getrappel ging unterhalb der Anhöhe
     vorüber.
    Großer-Tiger zupfte Christian an den Haaren. »Erschrick nicht«, bat er ihn, »ich will dich nur was fragen.«
    »Was willst du wissen?«, fragte Christian schläfrig.
    »Ich möchte wissen, ob du das gleiche denkst wie ich. Horch!«
    »Meinst du das, was trapp, trapp macht?«
    »Ja, das meine ich.«
    »Es ist Mondschein«, sagte Christian.
    »Nein«, flüsterte Großer-Tiger und knuffte ihn freundschaftlich, »es ist Pfötchen.«
    »Bolna«, sagte Christian, und dann schliefen beide weiter. Nachher stand Sertschi leise auf; er weckte Odburrung, und es dauerte
     nicht lange, bis wieder Hufschlag ertönte, der diesmal erst vor der Jurte haltmachte. Sertschi und Odburrung gingen hinaus;
     man hörte sie reden, und dann sagte eine raue Stimme: »Jabonah!« Da stiegen Sertschi und Odburrung in den Sattel und ritten
     mit dem Unbekannten, der die Pferde gebracht hatte, fort.
    »Wer war der Mann, der ›Jabonah‹ sagte?«, fragte Christian.
    »Es war Pfötchen«, flüsterte Großer-Tiger.
    »Ich glaube, es war Mondschein«, sagte Christian.
    Als wieder eine Stunde vorüber war, wurde Glück munter. Gewöhnlich schlief er acht Stunden ohne Aufhören in einem fort. Wenn
     er dann erwachte, gähnte er nicht lange. Er schlug die Augen auf, schaute sich um, wo er war, und sobald er es herausgefunden
     hatte, sprang er auf und begann mit einer nützlichen Tätigkeit. Er machte Feuer, holte Wasser, füllte Benzin in den Tank,
     nähte abgerissene Knöpfe an und war

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