Großstadt-Dschungel
Andrew denken, ich gehe davon aus, sein Date zu sein? Dann aber fällt mir ein, dass ich auch nichts zu verlieren habe. Ich kann überhaupt nichts falsch machen. Wenn er findet, dass unsere Sache platonisch ist, muss mir der Satz nicht peinlich sein. Sollte er was anderes hoffen … dann habe ich erst recht den richtigen Schritt getan.
„Hast du dein Paket schon aufgemacht?“ fragt Sam.
„Welches Paket?“
„Na, das riesige Paket, dass FedEx gebracht hat, als du noch geschlafen hast. Hast du es nicht gesehen?“
„Nein! Wo ist es?“ Was für ein Paket?
„In meinem Zimmer.“
„Wie soll ich wohl merken, dass ein Paket für mich in deinem Zimmer angekommen ist? Warum ist es in deinem Zimmer?“
„Weil ich dich nicht wecken wollte.“
„Und das Wohnzimmer ging weswegen nicht … ?“
„Ist doch auch egal. Kannst du es öffnen? Ich sterbe vor Neugier.“
Sam und ich gehen in ihr Zimmer. Ein in Weihnachtspapier eingehülltes riesiges Etwas lehnt an ihrem Bett. Auf die Verpackung ist eine Nachricht gekritzelt: „Nicht umtauschbar. Frohe Weihnachten. Tim“
Ich reiße das Papier runter. Der „Woher kommen wir? Wer sind wir? Wohin gehen wir?“-Druck prangt mir entgegen.
O mein Gott.
Ich kann nicht glauben, dass er das für mich besorgt hat.
Ich kann nicht glauben, dass ich eine solche Zicke war.
Gleich morgen rufe ich ihn an und bedanke mich.
Wir gehen zurück ins Wohnzimmer.
„Und, was war in dem Paket?“ fragt Andrew.
„Ein Geschenk von einem Verehrer“, antworte ich. Er denkt, ich mache Witze.
„Was gucken wir?“ unterbricht uns Sam und lässt sich auf die Couch zwischen mich und mein potenzielles Neujahrsdate plumpsen.
Ich schicke ihr meinen besten Verschwinde-Blick zu, aber sie ist schon viel zu gefangen von dem Film.
Kann ich kurz rausgehen und Tim eine Mail schreiben?
16. KAPITEL
W arum kann ich nicht einfach ein Kürbis werden?
Meine Lieblingscover von Romanen sind die verträumt eleganten. Der Held trägt einen Smoking, und die Heldin ist in ein seidig-samtenes smaragdgrünes trägerloses Kleid gehüllt und sieht aus wie Cinderella oder wenigstens wie die hübschere der beiden giftigen Zwillingsschwestern. Er sieht ihr tief in die Augen. Sie in seine. Eine Menge tiefer Blicke jedenfalls. Heute Abend werde ich mich in Cinderella verwandeln – abzüglich der Glasschuhe und der silbernen Kutsche, die von Pferden gezogen wird, obwohl es in Wirklichkeit ein Kürbis ist, vor den singende Mäuse gespannt sind. Ich werde meine Haare hochstecken und ein schwarzes dreiviertellanges Kleid aus Satin mit Spaghettiträgern anziehen, und meine Augen werde ich nach allen Regeln der Kunst schminken. Sam trägt einen bodenlangen braunen Samtrock und ein passendes Tanktop. Wenn ich das so sagen darf, wir sehen umwerfend aus.
Auch bei Andrew ist nichts zu beanstanden. Er und Ben tragen dunkle Anzüge. Genau, Sam hat sich für Ben entschieden.
Ich bitte Sam, ob sie Andrew fragen kann, mit mir für ein Bild zu posieren, damit er keinen Verdacht schöpft und merkt, dass ich ein Foto von uns beiden haben möchte.
„Lächeln. Sag ‚cheese‘!“ Wir stehen vor den heruntergelassenen Jalousien eines Fensters, und sie drückt ab. „Okay, ihr könnt wieder eure natürliche Haltung einnehmen.“
Er legt einen Arm um meine Schulter. Ich lächele.
Janie ruft an, um mir einen guten Rutsch zu wünschen.
„Wo bist du?“ will ich wissen.
„Phoenix. Wir lieben es hier draußen. Die Sonne scheint. Warum leben Leute in der Kälte, wenn sie auch hier sein könnten?“
„Ich weiß es nicht. Warum zieht ihr nicht um?“
„Wir denken drüber nach.“
O je. Arme Iris. Sie wird durchdrehen, wenn sie nur davon reden. „Ich dachte, Virginia gefällt dir.“
„So verrückt danach bin ich auch wieder nicht. Ich mag die trockene Hitze lieber.“
Ich höre das Klingen von Gläsern. Ich höre meine Freunde in der Küche lachen.
„Ich muss los.“
„Warum? Was machst du heute?“
„Mit ein paar Freunden raus auf einen Drink.“
„Und wen höre ich da im Hintergrund?“
„Ein paar Freunde. Wir trinken was.“
„Ich dachte, ihr geht auf einen Drink raus. Machst du eine Party?“
„Nein, wir gehen auf eine Party.“
„Und wer ist jetzt da?“
„Freunde.“
„Warum trinkt ihr, wenn ihr auf einen Drink raus wollt?“
„Warum nicht?“
Schweigen. „Jackie, hast du ein Alkoholproblem?“
O Gott. „Nein, ich habe kein Alkoholproblem. Wovon redest du? Ich muss jetzt los.“
„Okay.
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