Großstadt-Dschungel
niederlässt, und er sagt: „Ich muss mit dir reden.“ Instinktiv willst du, dass er die Klappe hält, dass er nichts sagt, dass er dir den ganzen Scheiß nicht erzählt, aber er sagt dir trotzdem, dass er möchte, dass du andere Männer triffst, während er weg ist.
Auf Deutsch: Er will Thaifrauen vögeln.
„War es das?“ fragst du, aber er beharrt darauf, dass er nur möchte, dass du andere Leute triffst, und du überlegst, was er wohl erwidert, wenn du Nein sagst. Aber du sagst nicht Nein; du sagst gar nichts.
Am nächsten Morgen verabschiedest du dich und versprichst zu mailen.
Die Ironie meines derzeitigen Daseins liegt für mich vor allem im Nebeneinander des Liebeslebens meiner Alter Egos, der Heldinnen in meinen Büchern, und meines eigenen. Sie alle haben ihre Zwillingsseele gefunden. Wo aber ist meine große Liebe? Wo ist mein Prinz Charming? Wo ist mein unglaublich hübscher, intelligenter, unbeirrbar romantischer Held?
Jeremy ist es nicht. Er ist zu sehr damit beschäftigt, sich durch Thailand zu vögeln. Und wahrscheinlich durch Holland.
Jon ist es auch nicht. Helden müssen gut küssen können.
Genug davon. Zurück zu Ronan und Julie.
Mein Bildschirmschoner setzt ein, und drei gut aussehende Männer mit nacktem Oberkörper und Cowboyhut lächeln mich verführerisch an. Niedlich. Man sehe sich doch mal diese unbehaarten, aufgeblasenen Brüste an!
Ich brauche einen scharfkantigen Mann. Ein Mann, der nach Schweiß riecht. Ein Mann, der für mich durchs Feuer geht.
Das ist es, was ich jetzt gebrauchen könnte. Eine Affäre mit einem beinharten Kerl. Arme wie Der-ist-es-Mann. Eins A Beine. Ein alphamännlicher Kerl. Schluss mit diesem philosophischen Quatsch. Und nie wieder Treffen mit Männern, deren Namen mit J anfangen.
Allein, wo finde ich diesen unwiderstehlichen jungen Burschen? Im Baumarkt? Beim Rodeo? Was hatte Jonathan doch gleich erwähnt? Karate? Plötzlich ist mir alles so klar wie Kloßbrühe. Vergiss die Selbstverteidigung! Ich schreibe mich für eine Kampfsportart ein. So ist Jonathan wenigstens noch für etwas anderes gut gewesen als nur für die „So-war-es“-Magazin-Kolumne.
Ich gebe „Boston“ und „Kampfsport“ in die Suchmaschine ein. Vierzehn Treffer. Karate, Judo, Taekwondo, Origami … Origami? Ich klicke Taekwondo an. Hört sich ein bisschen nach Tae Bo an, das hatte ich früher mal ausprobiert. Gut, ich habe es nicht wirklich ausprobiert; ich habe mir das Video gekauft. Ausgeliehen. Ist doch egal.
Zehn muskulöse, dunkelhaarige Gottheiten in schneidigen weißen Anzügen tauchen auf meinem Bildschirm auf und zeigen perfekte Tritte zur Seite. „Nur 500 Dollar“ blinkt eine Anzeige. Nur 500 Dollar? Wunderbar! Natürlich schließt das den Anzug noch nicht mit ein oder die Kosten für die Gürtelprüfung, die Testgebühren in jedem Level, um für die nächste Gürtelprüfung zugelassen zu werden, ganz zu schweigen von den besonderen Steinen, die man durchhauen muss, oder dem Milchkaffee nach jeder Stunde.
Gleichwohl werde ich:
1. Sehr scharfe Männer kennen lernen.
2. Lernen, wie ich mich vor Männern schütze, die sich modische Schnitzer erlauben und mich an Straßenecken als Sexobjekt missbrauchen (es sei denn, ich will an einer bestimmten Straßenecke als Sexobjekt missbraucht werden).
3. Einen Körper bekommen, der viel, viel besser ist als der von Jeremys Hollandschnalle – und sollte Jeremy jemals zurückkehren, kann ich den Scheiß prima aus ihm rausprügeln.
Direkt nach der Arbeit werde ich mir die Schule ansehen.
Wir wollen dich!
blinkt es auf dem Bildschirm. Und ich will dich auch, denke ich. Euch alle.
„Und, wie ist dein Mittag?“ höre ich Helens nasale Stimme fragen. Sie sieht um die Ecke ihres Büros und unterbricht die ersten Karateübungen, die ich im Geiste gerade mache.
„Oh, gut, danke.“
Ihr Blick fällt auf meinen Schreibtisch, genauer gesagt, auf meinen geliehenen Kaffeebecher. „Du bist also diejenige, die heute Morgen meine Tasse geklaut hat. Und ich wunderte mich schon, wer der Missetäter ist. Es macht mir nichts aus, wenn du sie dir leihst, aber das nächste Mal frag bitte.“
Helens Becher? Oh. Helen, Schätzchen.
7. KAPITEL
M ehr Fleisch
Also schön, ich bin nicht gleich am Mittwoch nach der Arbeit hingegangen, aber ich schwöre, dass nicht die Faulheit schuld war. Es lag an meinem neuen Lebenskonzept, vorausschauend zu handeln und nicht länger einfach loszulaufen, wie ich es sonst immer tat. Ich habe angerufen
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