Grote, P
Martin lieber gewesen.
Simion drängte, er wollte weiterfahren. Martin verabschiedete sich vor dem Burgtor, auch von ihm. »Wir haben heute die schlimmste Strecke vor uns, da fährt am besten jeder seinen eigenen Stil. Ich werde morgen auf dem Gut des Grafen Ştirbey am Olt erwartet. Ich versuche, es heute bis nach Drăgăşani zu schaffen. Es gibt dort nur eine Pension.«
Martin gab Simion die Adresse, die man ihm genannt hatte. »Entweder treffen wir uns dort oder morgen auf dem Weingut. Die Besitzer sind zwar Rumänen oder Ungarn, aber der Kellermeister ist Deutscher. Ich werde in Bezug auf die Sprache keine Rücksicht auf Sie nehmen, Marc.«
Simion lud einen Sechserkarton Wein ins Auto, denman ihm freundlich überlassen hatte. »Und was kommt danach?«
Auch Martin nahm sein Weingeschenk entgegen. »Ein rumänisch-britisches Joint Venture in Ploieşti, das ist dann bereits in Dealu Mare.«
»Dann treffen wir uns dort.«
Martin ließ sich die Erleichterung über diese Entscheidung nicht anmerken, er würde es genießen, einen Tag ohne seinen Schatten, als den er Simion mittlerweile empfand, auszukommen. »Fahren Sie vorsichtig. Ich habe gehört, dass es von Hermannstadt oder Sibiu, wie es heute heißt, durchs Gebirge nach Râmnicu Vâlcea ziemlich schlimm sein soll, die gefährlichste Strecke Rumäniens, nur zwei Fahrspuren, der gesamte Schwerverkehr führt dort durch. Fahren Sie besser über Sibiu nach Braşov und weiter nach Ploieşti.«
»Danke für Ihren Rat, Mister Martin. Ich kann selbst auf mich aufpassen.« Ohne Grußwort stieg er ein. Simion wusste, dass Martin es hasste, mit »Mister« angesprochen zu werden.
Martin sah ihm nach, wie er den Berg hinabfuhr. Was war mit dem Ami los? Fehlte ihm etwa Ana Cristina? Immer häufiger fragte er nach irgendwelchen »Russen«, als würde das »Reich des Bösen« nach wie vor existieren.
Unten im Dorf bog Simion rechts ab und fuhr unterhalb der Burg wieder vorbei. Hinter der Brücke neben der Kirche – Martin erkannte es von seinem erhöhten Standpunkt genau – bestiegen zwei Männer einen großen grauen Wagen. Als Simion vorüber war, hängten sie sich an ihn. Zufall? Das würde sich zeigen. Martin nahm das Mobiltelefon, um Simion seine Beobachtung mitzuteilen. In der ländlichen Einsamkeit war ein Raubüberfall nicht ausgeschlossen.
Der Amerikaner reagierte barsch. »Sehen Sie zu, dass Sie zu Ihrem Grafen kommen, außerdem sehen Sie Gespenster. Ich kann wirklich selbst auf mich aufpassen.«
21
Der Koch mit dem von der Hitze seiner Herde aufgedunsenen Gesicht beugte sich vor, sah Martin an und stützte sich auf die Lehne des Stuhls auf der anderen Seite des Tisches.
»Die Rückgaben erfolgten in der Regel willkürlich. Natürlich, es gab Gesetze, aber sie wurden nicht angewandt und konnten von uns normalen Bürgern gar nicht durchgesetzt werden. Unsere Familie und Freunde und auch andere im Bekanntenkreis besaßen den einen oder anderen Hektar. Das Land haben wir zurückbekommen, aber die Weinstöcke darauf, die während des Kommunismus gepflanzt worden waren, gehörten nicht uns, sondern dem Staat. Was wollen Sie da machen? Nichts. Entweder bekam man Pacht oder bekam das Land nur zurück, wenn man die Weinstöcke kaufte. Aber niemand hatte Geld. Entweder, du nimmst, was wir dir geben, hieß es, oder du kriegst gar nichts. Viele haben nichts zurückgekriegt, die Politiker haben das entschieden, die waren sofort nach der Wende da, es waren die alten. Was wollen Sie da machen? Nichts. Den Rumänen, die im Ausland lebten, also den früheren Besitzern, wurden Angebote gemacht, schlechte Angebote. Wenn sie die nicht annahmen, bekamen sie überhaupt nichts zurück. Es kam immer darauf an, wie nah man der Politik war, wer wen kannte, was man dafür zahlte. Wer mehr zahlte oder auch einen Teil von seinem Land überschrieb, war schneller an der Reihe. Was wollen Sie da machen? Nichts können Sie machen.«
Der Koch der Pension stützte sich noch immer auf die Lehne des Stuhls und starrte auf Martins abgegessenen Teller. Er war der einzige Gast in dem viel zu großen Speisesaal der Pension, und der Koch war gekommen, um ihm Gesellschaft zu leisten und jemanden zum Plaudern zu haben. Der Fernsehapparat an der Wand war auf lautlos gestellt, auf dem Schirm bewegte ein Mann den Mund, der Koch sah zu ihm hinauf.
»Wahlkampf, immer haben wir Wahlkampf, und nichts ändert sich. Angeblich sind alle gegen Korruption, aber die Korruptionsbekämpfung ist ein Witz. Da
Weitere Kostenlose Bücher