Grote, P
sympathisch.Mit den Jahren und bei zunehmender Erfahrung hatte Martin begriffen, dass man durchaus vom Weinberg auf seinen Besitzer schließen konnte, obwohl er auch wusste, dass der Künstler und sein Werk nicht dasselbe waren.
Neuerdings wurden die Trauben wieder in Körben gepresst, Martin hatte davon gehört. Es sollte schonender sein, aber dass es von Hand geschah, wie Meiniger erklärte, war ihm neu. Er würde sich eine derartige Presse anschaffen und es im Herbst ausprobieren. Wenn sein Wein, der Pechant, dabei gewinnen würde, könnte sich die Mehrarbeit lohnen.
Das Labor war kärglich ausgestattet, und auch dafür fand sich in Meinigers Philosophie die Erklärung. »Je besser das Labor ausgerüstet ist, desto gefährlicher wird der Wein.« Das leuchtete ein, denn jede Korrektur, sei es mit Enzymen oder Kunsthefen, sei es der Einsatz von Maschinen zur Umkehrosmose oder die Zugabe von Mostkonzentrat, um den Zuckergehalt zu erhöhen, war Manipulation.
Crâmpoşie Select¸ionată war eine autochtone Rebsorte, dreitausend Jahre alt, und sie ergab einen wunderbaren Weißwein. Beim Fetească Regală entwickelte sich der Holzton erst nach der Flaschenlagerung. Es war der gehaltvollste und gleichzeitig frischeste Wein dieser Rebe, den Martin auf dieser Tour probiert hatte. Der Tămâioasă Românească war eine spät reifende Sorte mit hohem Zuckergehalt, Martin zog die trockene Version der halbtrockenen – hier hieß es semi-sweet – vor.
Sein Merlot, der Cabernet Sauvignon und auch der Novac – eine Cuvée aus Negru Vartos und Băbească Neagră – waren großartig, leicht zugänglich, und der Geschmack blieb lange auf der Zunge. Der Fetească Neagră von Ştirbey stellte alles bisher Dagewesene in den Schatten. Martin faszinierte, dass man für die Reifung große Fässer dem zweihundertfünfundzwanzig Liter fassenden Barrique vorzog. Das Resultat waren wesentlich fruchtigere Weine als die bisher probierten. Vielleicht mache ich das auch genauso, dachte Martin, mit demWein meiner neuen Reblagen, zumindest mit einem Teil. Er gewinnt an Komplexität, wird runder und voller und behält seine Frische. Er dachte an hervorragende Rossi di Montalcino, die in Zweitausend-Liter-Fässern lagerten, auch bei Brunello und Barolo war dummerweise das Barrique in Mode gekommen, und das verfälschte die großen Weine.
Martin war selten von allen Weinen eines Gutes so begeistert wie heute, und er scheute sich nicht, es zu zeigen. Nur durfte er nicht mit zu viel Fachwissen aufwarten, dabei hätte er gern gefachsimpelt, sich mit dem Kellermeister über Zucker- und Säurekurven in Beziehung zum Wetter und dem Lesezeitpunkt unterhalten, doch für einen Consultant ging das zu weit. Den hatte zu interessieren, dass hier der Hektar Rebland nur zwischen vier- und sechstausend Euro kostete, das war gerade mal ein Zwanzigstel dessen, was er für seinen neuen Weinberg bezahlt hatte. Die Neupflanzung mittels GP S-System schlug mit fünfundzwanzigtausend je Hektar zu Buche, da waren schnell zwei Millionen erreicht, wenn man an achtzig Hektar dachte, denn unterhalb dieser Größe finanzierte die EU nichts. Aber wenn sie es finanzierte, dann waren zwei Millionen nur noch eine, und die war nichts für Coulange und seine Investoren – lediglich Erdnüsse waren das, die zu oft zitierten
peanuts.
»Bei Ihren wunderbaren Weinen wird es wahrscheinlich Medaillen geregnet haben«, vermutete Martin.
»Da täuschen Sie sich. Die Medaillen bekommen die Großkellereien, die zahlen und sitzen in der Jury. Wir wurden dazu nie eingeladen. Die machen das unter sich aus. Uns hängen die Medaillen zu niedrig. Wir sind auch aus dem DO C-Verband ausgetreten, denn Weine mit garantierter Herkunft bekommen Sie schon in der Drei-Liter-Flasche. Es gibt die Medaillen-Trinker, die Etiketten-Trinker und die Parker-Punkte-Trinker . . .«
»Und auf welche setzen Sie?«
»Auf alle, die einen guten Wein zu schätzen wissen.«
Der Tag auf dem Weingut war schön, der schönste auf dieser Reise. Er verging mit Gesprächen, Kellerbesichtigung, einem Ausflug in die Weinberge und der Einladung, zum Abendessen zu bleiben und auch hier zu übernachten. Erst als Martin auf der Terrasse des Weingutes saß und über den Hang hinab auf den Olt schaute, dessen spiegelnde Fläche sich mit einem metallischen Schimmer der Nachmittagssonne überzog, dachte er wieder an Sofia und ihren Bruder. Es stimmte ihn traurig, und er erinnerte sich an Tudor Dragos und seine Spionin. Bei
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