Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grote, P

Grote, P

Titel: Grote, P Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wein des KGB
Vom Netzwerk:
rechtzeitig, die Erkenntnis, die sich in diesem Moment einstellte, kam zu spät. Simion war nicht der, für den er sich ausgegeben hatte, und Martin begriff den großen Fehler, sein Misstrauen gegenüber Simion nicht ernst genommen zu haben.
    »Seit wann kennen Sie ihn?«
    »Ich habe ihn in Constanţa getroffen, das ist keine drei Wochen her.«
    »Sie lügen wieder.«
    Die Beine schmerzten, Martin streckte sie, aber das brachte ihm keine Erleichterung, doch das war nicht der Grund, weshalb er das Gesicht verzog. »Es hat doch keinen Zweck zu reden, wenn Sie’s nicht glauben. Was wollen Sie von mir?«
    »Die Wahrheit.«
    »Dann nehmen Sie mir erst mal die Handschellen ab.«
    Brzezinski tat es und blieb hinter Martin stehen. »Wer sind Sie? Was ist Ihre Aufgabe?«
    »Ich bin ein Consultant. Ich versuche mir über Rumänien als Weinland ein Bild zu machen, teste die Weine, rede mit den Winzern über Investitionen, Personal . . .«
    »Das wissen wir alles. Wer sind Sie wirklich?«
    »Wenn Sie meinen Namen kennen, dann wissen Sie auch, wer ich bin.«
    Die Ohrfeige warf ihn fast vom Stuhl. »Wir wissen, dass Sie kein Consultant sind. Ihre Firma gibt es gar nicht, nur virtuell. Weshalb haben Sie Simion hierhergeführt?«
    Martin stöhnte, er nahm den Kopf in die Hände. »Simion hat mich gebeten, ihn mitzunehmen, ich habe es getan, weil er mir anfangs leidtat und nicht störte.«
    »Jetzt nicht mehr?«
    Martin überlegte fieberhaft, was er antworten könnte, er fürchtete die nächste Ohrfeige, der Türwächter starrte ihn an, als wollte er ihn in die nächste Mülltonne stecken. »Er ging mir in den letzten Tagen zunehmend auf den Wecker, er ging eigene Wege, er traf sich anscheinend mit Leuten, die ihm was von seiner Familie erzählen können, den Vorfahren hier . . .«
    »Was waren das für Leute?«, unterbrach ihn Brzezinski.
    »Das weiß ich nicht.« Martin duckte sich, wartete auf den nächsten Schlag, aber der kam nicht.
    »Wer hat Sie angeworben?«
    »Angeworben? Wofür? Wozu?«
    »Für wie dumm halten Sie uns? Wer hat Sie angeworben – als Consultant?«
    »Ich arbeite auf eigene Rechnung.«
    »Wir glauben etwas ganz anderes, Herr Bongers. Aber was wir glauben, sage ich Ihnen nicht, sonst stellen Sie sich darauf ein. Ich will es von Ihnen hören. Und wie ich eingangs sagte, wir haben wenig Zeit. Tut mir leid, dass es so ausgeht.«
    Brzezinski stand auf und gab dem Wächter einen Wink, der rief seinen Kollegen, und gemeinsam legten sie Martin die Handschellen wieder an, banden ihm das Tuch um die Augen und führten ihn aus dem Raum.
    »Sie wollten es so. Denken Sie an meine Fragen . . .«, rief ihm Brzezinski nach.
    Das Erste, was Martin sah, nachdem man ihm die Binde abgenommen hatte, war die Edelstahlwanne auf Rädern. Er kannte derartige Wannen, sie dienten zur kurzfristigen Aufbewahrung von Weintrauben und von Trester – aber diese hier war mit Wasser gefüllt. Daneben war ein Abfluss im Boden. Martins Herzschlag sprang in einer Sekunde auf hundertfünfzig. Er begriff mit Entsetzen, was sie vorhatten.

25
    »Das geschieht alles im Rahmen des Rechtsstaates. Die USA sind doch ein Rechtsstaat, oder nicht? Wir halten uns an das, was Ihre Verbündeten tun.«
    Brzezinski hatte wieder die Unterlippe runtergezogen. Sein Grinsen war kalt, bösartig und distanziert. Das war fast noch verletzender als das Wasser. Er, Martin, war für ihn kein Mensch. Er war eine Sache, ein Informationsträger, so was wie eine Diskette oder ein Datenstick, ein Blatt Papier, das man nach dem Lesen in den Schredder steckte. Er sah seine Barriques vor sich, den Weg an der Garage vorbei zum Haus von Lisette und Jérôme, er sah seinen Schwiegervater in der kleinen Werkstatt   ...
    »Wir setzen unsere Unterhaltung da fort, wo wir aufgehört haben.« Brzezinskis Stimme riss Martin aus seinen Gedanken wie ein Sturz auf Glatteis. »Für wen arbeiten Sie? Antworten Sie anständig, oder wir machen mit dem
waterboarding
weiter. Das ist unangenehmer als auf Kuba, da ist es wärmer. Es bekommt Ihnen nicht so gut, wie ich sehe. Sie zittern.«
    Hass und Liebe, dachte Martin, wenn er das, was jetzt in seinem Kopf geschah, als Denken bezeichnen konnte. Hass konnte stärker werden als Liebe, zum stärksten Gefühl überhaupt, wie er bei sich wahrnahm. Hass und Verachtung zusammen waren noch gefährlicher. Er hasste den Mann ihm gegenüber, er verabscheute ihn mit jeder Fiber seinesWesens. Das Böse saß in der Hülle eines Menschen vor ihm und sah ihn

Weitere Kostenlose Bücher