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Grote, P

Grote, P

Titel: Grote, P Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wein des KGB
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an.
    Aber nicht der Hass, sondern die Liebe hatte ihn gerettet, so blöd, so kitschig sich das anhörte, sie hatte ihn das Ertränktwerden überleben lassen. Charlotte! Ihren Namen hatte er sich ins Gehirn geschrien, gebrüllt, jeden seiner Gedanken mit Charlotte angefüllt, damit er stärker war als die Todesangst, als absolut keine Luft mehr da war und er nur noch Wasser hätte atmen können. Ja, er zitterte, er schlotterte – vor Hass, vor ohnmächtiger Wut. Und für eine Sekunde durchbrach dieser Hass die Mauer, die Brzezinski, das Schwein, um sich aufgebaut hatte. In dieser Sekunde spürte Martin die Angst seines Gegenübers. Zweifellos war auch er ein Mensch.
    Die Verwirrung war schnell vorbei, Brzezinski fasste sich. »In Guantanamo können die Gefangenen ihre hübschen Overalls danach in die Sonne hängen. Aber Sie nicht, Herr Bongers, Sie kommen hier nicht raus, außer   ... darüber reden wir später. Für wen arbeiten Sie?«
    »Für die SISA, das ist eine französische Firma, die im Agrarsektor investiert.«
    »Na bitte, es geht ja.« Brzezinski tat, als freue er sich. »Was sollten Sie für die SISA tun?«
    »Genau das, was ich hier mache.« Martin erklärte mit klappernden Zähnen seinen Auftrag, die Auflage zur Geheimhaltung erwähnte er nicht.
    »War Simion bei den Gesprächen anwesend?«
    »Ich kannte ihn damals nicht.«
    »Mit wem haben Sie bei der SISA verhandelt? Ich will Namen hören, Herr Bongers!«
    Martin stand vor dem nächsten Dilemma, aber er musste sich retten. Das war wichtiger als alles andere. Er war der SISA gegenüber zu nichts verpflichtet. Damit flog seine Tarnung auf, aber Brzezinski glaubte ihm sowieso nicht. Wieso fragte er dann? War denn nicht längst alles vorüber?
    »Coulange heißt er, Monsieur Coulange, Roland mit Vornamen, glaube ich zumindest, wir haben uns nur zweimal getroffen. Verhandelt haben wir am Telefon.« An die Namen, die noch gefallen waren und die im Vertrag mit seinem Auftraggeber standen, erinnerte er sich nicht.
    »Demnach war es Teil Ihres Auftrags, Simion hierherzubringen!«
    »Nein. Ich sagte bereits, ich kannte ihn nicht. Von ihm oder irgendeinem Begleiter war nie die Rede. Er hat sich mir spontan angeschlossen. Ich hätte Nein sagen können, ihn nicht mitzunehmen brauchen. Er war auch nicht bei allen Gesprächen anwesend. Ich wusste bis gestern gar nicht, dass es Sie und Ihr Phantom-Weingut gibt.« Es war kaum möglich, mit klappernden Zähnen die Worte vernünftig auszusprechen.
    Brzezinski legte Martin eine Auflistung der Stationen seiner Reise vor. Nicht eine hatte er ausgelassen. Sie wussten alles. Sie? Das konnte nur irgendein beschissener Geheimdienst sein. Hatte Simion deshalb ständig nach irgendwelchen Russen gefragt? Dann wusste er mehr, dann war auch er in Gefahr. Anscheinend hatte der Amerikaner ihn da irgendwie mit reingezogen, dann konnte er ihm auch scheißegal sein, es ging jetzt um seine eigene Haut.
    »Gestatten Sie mir eine Frage, ohne mich gleich zu schlagen?«
    »Ich bin kein Unmensch.«
    Martin sah Brzezinski wieder mit jenem Blick an, der ihm Angst machte, und für eine Sekunde funktionierte es auch. »Eigentlich habe ich zwei Fragen: Sie sprechen hervorragend Deutsch, sind aber kein Deutscher. Zweitens – in welcher Hinsicht habe ich Ihnen geschadet?«
    »Deutsch habe ich in Ostberlin gelernt, als junger Mensch lernt man schnell.«
    »Wie damals euer Putin? Beim KGB oder bei der Stasi?«
    Brzezinski grinste wie Granit. »Sind Sie schon wieder zutrocken? Zur zweiten Frage: Sie haben uns geschadet, indem Sie Ihren Auftrag erfüllten. Sie haben Simion hierhergeführt. Ohne Sie hätte er uns nie gefunden. Jetzt müssen wir uns leider neue Weinberge und ein neues Weingut suchen, dabei wäre ich gern hier geblieben, ein derart fantastisches Terroir aufzugeben, fällt schwer.«
    Martin meinte zu verstehen. Brzezinski und seine Truppe waren entdeckt, sie mussten gehen, daher die vielen Schritte auf den Fluren, das Geräusch von Rollen auf dem Zement. Sie transportierten ihre Ausrüstung ab. Das alles nur seinetwegen? Aber noch etwas verstand er nicht. »Sie selbst haben mir doch den Zodiac zugespielt, in dem Hotel in Constanţa.«
    »Wie kommen Sie darauf? Ich glaube, Sie begreifen noch immer nichts . . .«
     
    In der Nacht holten sie ihn noch zweimal. Er nahm an, dass es Nacht war, aber sein Zeitgefühl hatte sich in der absoluten Stille und Dunkelheit seiner Zelle aufgelöst. Zumindest ließen sie es zu, dass er, nachdem er wieder

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