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Grrrimm (German Edition)

Grrrimm (German Edition)

Titel: Grrrimm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Duve
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Dienerschaft pflegen zu lassen und nach seinem Tod einen jährlichen Gedenktag für ihn einzurichten. Der geduldige Prinz ballte seine Greisenfaust und haute erstaunlich kräftig auf den nächstgelegenen Tisch. Eine Staubwolke stieg hoch.
    »Jetzt habe ich es aber satt«, krächzte Alphons, »jetzt habe ich es aber so was von satt. Ich will auf der Stelle zur Fee Fanny gebracht werden – aber ganz schnell!«
    »Die ist doch längst tot«, jammerte König Otto. Aber als Alphons versicherte, dass seine Patentante noch frisch wie eh und je sei, befahl der König, sofort die Kutsche anzuspannen:
    »Achtspännig! Die Schimmel!«
    Auch die Schimmel hatten hervorragend geschlafen und schnaubten vor lauter überschüssiger Energie, und die Kutsche mit König Otto und Prinz Alphons darin erreichte das Feenschloss von Cousine Fanny schon nach wenigen Stunden.
    »Es ist alles meine Schuld«, rief König Otto, noch bevor er ganz aus der Kutsche gestiegen war.
    »Allerdings, so sehe ich das auch«, schnaubte die Fee, wickelte ihren orange und grün gewürfelten Häkelumhang fester um sich und sah an ihrem Besuch vorbei zu einem imaginären Punkt am Horizont. Sie gab sich noch eine ganze Weile gekränkt und unnahbar, aber als König Otto ihr wiederholt und tränenreich seine Reue versicherte, schmolz sie irgendwann dahin, und bald lagen sich beide in den Armen und halfen sich gegenseitig mit Taschentüchern aus.
    »Ich habe da jetzt hundert Jahre drüber geschlafen. Ich werde nie wieder zulassen, dass man dich von irgendetwas ausschließt«, schluchzte König Otto.
    »Möglicherweise habe ich auch etwas scharf reagiert«, heulte die Fee Fanny.
    »Aber du hattest ja auch allen Grund«, greinte König Otto.
    Endlich hatten der König und seine Cousine sich so weit beruhigt, dass Prinz Alphons auf sich aufmerksam machen und sein Anliegen vortragen konnte.
    »Ich will mein Leben zurück«, krächzte er die Fee an. »Wegen deines verdammten Patengeschenks habe ich es verpasst. Und jetzt will ich es zurück. Sofort!«
    Er gestikulierte dabei so stark, dass er ausrutschte, hinfiel und sich den Oberschenkelhalsknochen brach. Stöhnend blieb er liegen.
    »Was ist denn bloß mit dem Jungen los«, sagte König Otto, »der war doch früher nicht so?«
    »Feengeschenke halten nur etwas über hundert Jahre«, erklärte Fanny, »und wenn sie sich dann abgenutzt haben, schlagen die verliehenen Tugenden leicht mal ins Gegenteil um.«
    Sie sah auf ihr steinaltes Patenkind hinunter und schnalzte missbilligend mit der Zunge. Aber weil es schließlich Alphons gewesen war, der ihren Lieblingsvetter zu ihr gebracht und damit für die Versöhnung gesorgt hatte, ließ sie sich nicht mehr allzu lange bitten, heilte zuerst sein Bein und flößte ihm dann reichlich aus einer verschnörkelten Flasche ein, die sie einem dreifach verriegelten Wandschrank in ihrem Labor entnahm.
    »Aber nur Alphons und nur dieses eine Mal«, sagte die Fee zu König Otto, »nicht dass ihr jetzt alle ankommt.«
    Kaum war der Prinz wieder in den körperlichen Zustand von vor hundert Jahren zurückversetzt, riss er sich die viel zu eng gewordenen Kleider bis auf ein knielanges Unterhemd vom Leib und begann, alle seine wiedererstarkten Muskeln und geschmeidigen Gelenke auszuprobieren, machte Rumpfbeugen und Liegestütze und trabte in großen Volten um seine Patentante und um König Otto herum.
    »Ich kann wieder alles sehen«, rief er dabei, »ganz deutlich. Ich erkenne sogar die geplatzten Äderchen auf euren Nasen – was für eine Farbenpracht!«
    »Schaut euch meine Arme an«, rief er, »diese Haut! Wollt ihr mal fühlen, wie straff und glatt sie ist?«
    Er streckte den beiden seine Arme entgegen. König Otto kniff anerkennend ins Bindegewebe. Prinz Alphons trabte zu einem Spiegel.
    »Wie schön ich bin«, rief er, »wie unglaublich jung und gutaussehend.«
    »Ja, sehr schön«, sagte die Fee, »aber du solltest dir trotzdem etwas anziehen. Einer meiner Pagen wird dir was leihen.«
    »Na gut«, rief Alphons. »Das muss aber schnell gehen, denn ich will sogleich zu Prinzessin Florentine zurückfahren.«
    Doch als Prinz Alphons und König Otto in das rosenumwucherte Schloss zurückkehrten, hatte sich in den wenigen Stunden ihrer Abwesenheit einiges verändert. Nicht nur, dass der Staub entfernt worden war und Königin Augusta und Prinzessin Florentine jetzt neue und ungewohnt hochgeschlossene Kleider trugen, auch Alphons Großneffen hatte man inzwischen aus der Dornenhecke

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