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Grün. Le vert de la Provence

Grün. Le vert de la Provence

Titel: Grün. Le vert de la Provence Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Burger
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Polizei und sicher vor Anselm, der
zunehmend die Wahrheit durchschaut hatte. Es hatte sie aufwändige Recherchen
gekostet, um herauszufinden, was von Anfang an Seefelders Ziel gewesen war. Er
musste rechtliche Probleme bei der Nutzung von Paulines Wissen befürchten.
Indigene Gruppen hatten nämlich bereits erfolgreich amerikanische Patentinhaber
verklagt, sich angestammtes Wissen über die Wirkung pflanzlicher Ressourcen
widerrechtlich angeeignet zu haben.
    Paulines Aufzeichnungen über die Wirkstoffe der von ihm
begehrten Pflanzen waren die vermutlich ältesten. Sobald Pauline dafür
hinreichend vergütet worden war und die Stiftung über dieses Wissen verfügen
konnte, stand der gesicherten wirtschaftlichen Nutzung nichts mehr im Weg.
    Die Aufzeichnungen waren durch diese Rechtslage zu
Valeries Kapital geworden. Das einzig relevante, über das sie noch verfügte und
das sie zielstrebig und unnachgiebig nutzte, bis irgendwann einmal die Prozesse
beendet wären und sie vielleicht ein gesichertes Auskommen besitzen würde. Bis
dahin erhielt die Stiftung von ihr in Versatzstücken einzelne Segmente von
Paulines Aufzeichnungen und sie erhielt im Gegenzug eine beachtliche Summe
Geld.
    Zunehmend spürte sie aber den Unwillen von Seefelders
Seite, dieses Prozedere noch lange fortzusetzen. Die endlosen Arbeitstage, die
man ihr abverlangte, die nächtlichen Meetings, die Schikanen und die faktische
Entmündigung als Geschäftsführerin waren deutliche Signale. Sie lief Gefahr,
ebenso wie Pauline für die Interessen von SBT bedeutungslos zu werden. Zudem wurde
ihr Verdacht zunehmend zur Gewissheit, dass Melissa Lindner sehr bewusst mit
dem Ziel ausgesucht und auf Ed angesetzt worden war, seinen Tod herbeizuführen.
     
    Der Anstieg der Autoroute war überwunden. Sie hatte noch
einige vereinzelte Fahrzeuge überholt, jetzt würde sich in wenigen Kilometern
das Durance-Tal vor ihr öffnen und eine menschenleere Straße vor ihr liegen.
Von hinten näherte sich erneut ein Scheinwerferpaar mit hoher Geschwindigkeit.
Der Audi! Das Telefonat schien beendet zu sein und der Fahrer erweckte den
Eindruck, die verlorene Zeit mit noch größerer Fahrgeschwindigkeit kompensieren
zu wollen.
    Die Scheinwerfer blendeten sie jetzt, während das
Fahrzeug unvermindert schnell auf sie zuraste und erst wenige Meter hinter ihr
auf die Überholspur auswich. Der Kerl pennt, dachte sie. Ihr Blutdruck war
deutlich gestiegen, sie spürte den Druck im Kopf und ihren heftigen Pulsschlag.
Auf gleicher Höhe mit ihr reduzierte der Audi unvermittelt seine
Geschwindigkeit, fiel zurück und schwenkte erneut auf ihren Fahrstreifen. Dann
wiederholte sich das ganze Manöver. Ihre Hände wurden feucht, ein brennendes
Gefühl breitete sich in ihrem Bauch aus. Warum war ausgerechnet jetzt niemand
in der Nähe, keine Polizei, die diesen Irren von der Straße holen würde, und
kein großer Lastwagen, der ihr Schutz bieten würde?, dachte sie.
    Der Fahrer des Audi hupte. Er fuhr nur wenige Zentimeter
von ihr entfernt auf gleicher Höhe mit ihr, dann blieb er wieder zehn, zwanzig
Meter hinter ihr zurück. Valerie beschleunigte. Sie fuhr jetzt hundertneunzig,
hundertfünfundneunzig, zweihundert. Sie wollte dieser unheimlichen Begegnung
entkommen, Abstand zu dem Mann gewinnen, der sich so offensichtlich ein
Vergnügen daraus machte, eine Frau, die allein auf der nächtlichen Autoroute
unterwegs war, Angst einzujagen. Der Audi war schneller. Und er beschleunigte
deutlich schneller, als sie es mit dem BMW konnte. Wieder raste das
Scheinwerferpaar auf sie zu, jetzt mit aufgeblendetem Fernlicht und wild
hupend. In der absolut letzten Sekunde vor einem Aufprall scherte das Fahrzeug
aus, zog mit hoher Geschwindigkeit an ihr vorbei, um dann unmittelbar vor ihr
wieder die Spur zu wechseln, wobei sie unweigerlich mit dem Heck des Fahrzeugs
kollidieren musste.
    Bruchteile von Sekunden dehnten sich in Valeries
Wahrnehmung zur Unendlichkeit, die sie mit erstaunlicher Genauigkeit verfolgen
konnte – das entschiedene Herumreißen des Lenkrads, der ausdauernde Tritt auf
das Bremspedal, der Tanz ihres Wagens über die Fahrbahn. Sie beobachtete
erstaunt die langsame Drehung, die zunächst die Leitplanke in Sicht brachte und
dann den rückwärtigen Seitenstreifen erleuchtete. Die Leitplanke war jetzt ganz
nah, sie konnte die Nieten der Befestigung, den Staub und Unrat unterhalb der
Metallstreben erkennen. Die Drehung wurde vollständig. Was vorher hinter ihr
gelegen hatte, lag jetzt vor

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