Grün. Le vert de la Provence
Sophie von Pauline und Ed gewusst
haben musste. Bei der Häufigkeit von Treffen auf dem Markt hätten sie sich
früher oder später begegnet sein müssen. Sophie log also. Und entweder log
Valerie auch, oder sie war zu naiv, diese Möglichkeit zu schlussfolgern. An dem
Tag, an dem Ed starb, war um neun Uhr „ML“ eingetragen, ohne Ort. Auf den
Seiten war vom Freitag der vergangenen Woche bis zum Dienstag ein Strich
gezogen mit der Anmerkung „V Aix“. Valerie war also einen Tag früher
zurückgekommen, als Ed sie erwartet hatte. Wer immer ML war, Ed hatte geglaubt,
Zeit für diese Begegnung zu haben.
Anselm war einige hundert Meter von Alains Haus und der
Alten in Richtung einer weitläufigen Wiese gegangen, die braun und vertrocknet
langsam in der Sonne zu Asche zerfiel. Er folgte dem anfänglich nur schwachen,
dann immer stärker werdenden monotonen Tuckern eines alten Diesels, bis er
schließlich Alain auf einem uralten Renault-Traktor von mattroter Farbe, die
kaum einen Kontrast zu den großen Rostflächen im Metall bot, entdeckte. Nicht
weit davon entfernt lagerte eine Herde erschöpfter Ziegen in dem spärlichen
Schatten einiger niedriger Bäume, zwei heftig hechelnde Hunde lagen
bewegungslos neben den Ziegen, ohne sich um ihn als Fremden zu kümmern.
Alain schien nicht überrascht zu sein und Anselms Anblick
war ihm offensichtlich vertraut. Er sprach ebenfalls fast unverständlich in dem
Singsang-Tonfall des Midi , bemühte sich aber, kein Provençal einfließen
zu lassen. Anselm sah, dass der Mann kaum noch Zähne besaß. Eine Pauline kenne
er nicht, sagte Alain, er würde auch praktisch nie nach Prades fahren, auch
nicht am Markttag. Was er bräuchte, bekäme er auf dem Plateau oder unten in der
Ebene.
Wie er denn eigentlich zu den Baumanns zur Arbeit käme,
fragte ihn Anselm, der nur die tiefen Profilspuren von Traktorenreifen auf dem
Weg zum Hof bemerkt hatte. Der Weg war zudem derart zugewachsen, dass der Rover
das getrocknete Gras geradezu gemäht hatte. Der Kühlergrill war überzogen
gewesen mit einer dicken Schicht von Grassamen, Disteln und Spinnenweben. „Mit
dem Rad“, antwortete Alain, „so einem Rad, mit dem man überall durchkommt.“
„Ein Mountainbike!“
„Ein VTT, un vélo tout terrain eben.“ Alain
spuckte verachtend auf den Boden. Er begann ungeduldig an der Zündung zu
spielen und signalisierte nachdrücklich seinen Unwillen, die Unterhaltung noch
länger fortzusetzen.
„Wie sind Sie zu dem Gärtnerjob bei Baumanns gekommen?“,
fragte Anselm trotzdem beharrlich weiter.
Alain zuckte mit den Schultern. „Ich war schon als Junge
dort.“
„Ja, wie? Irgendwie müssen Sie ja mit diesem Haus und
seinen Bewohnern in Kontakt gekommen sein. Wann war das und wer waren diese
Menschen?“
Wieder spuckt Alain auf den Boden. „Mein Vater war schon
dort tätig und dann habe ich seine Arbeit weitergemacht.“
„Für Ed?“
„Für die Familie, der das Haus vorher gehört hatte.“
„Wer waren die?“
„Keine Ahnung“, sagte Alain. „Die kamen aus Paris und
ließen sich höchstens im Sommer mal für einige Tage hier blicken. Dann gaben
die mir mein Geld für ein Jahr im Voraus.“
„Und dann hat Ed denen das Haus abgekauft und Sie sind
als Gärtner geblieben?“
„Paul Baumann hat das Haus gekauft. Der Vater. Nicht Ed.
Als Ed dann das Haus übernommen hat, haben wir gemeinsam den Garten verändert
und erweitert. Das hat mir Freude gemacht. Ich liebe nun mal die Gartenarbeit.“
Anselm sah zurück zu dem heruntergekommenen Gehöft, das
von einer gärtnerischen Diaspora umgeben war. „Und warum machen Sie das hier
nicht? Ich meine, Ihre Liebe zur Gartenarbeit auszuleben?“
Alain sah ihn an, als sei er ein schwachsinniges Kind.
„Die Ziegen! Die fressen alles weg, da helfen keine Zäune oder Gatter. Wenn die
Grün sehen, dann kommen die auch dahin. Es hat überhaupt keinen Sinn, bei
Ziegen einen Garten anzulegen. Und was die Ziegen nicht kaputtkriegen, das
erledigen die Wildschweine.“
„Und bei Baumanns? Wieso gibt es dort keine Schäden durch
Wildschweine?“
„Da gibt es einen Wildzaun. Und der wurde auch immer sehr
sorgfältig instand gehalten.“
„Schon bevor die Sicherheitsfirma da tätig war?“
„Schon immer. Auch als die Nazis hier waren.“
„War Ihr Vater da auch schon als Gärtner tätig?“
Alain nickte kurz.
„Und wie ist Paul an das Haus gekommen? Hatte er einen
Makler beauftragt, oder so etwas?“
„Es gab einen Makler. Ja. Aber
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