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Grün. Le vert de la Provence

Grün. Le vert de la Provence

Titel: Grün. Le vert de la Provence Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Burger
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Muskulatur. Außerdem fiel mir
eben auf, dass meine Hauptverdächtige in dem bizarren Fall eine ganz ähnliche
Ausprägung der Muskulatur an Armen und Schultern hat. Ist das typisch für
Freeclimber oder können das auch Tennisarme sein?“
    „Keine Ahnung. Allerdings bekommen Freeclimber diese
Muskeln, weil sie sich mit wenigen Fingern an Felsen hochziehen. Das prägt
einen Muskelaufbau sicher ganz anders, als wenn jemand kraftvoll aus dem
Schultergelenk heraus schlagende Bewegungen ausführt.“
    Luc nickte bedächtig, während er mit der Zunge an seinen
Zähnen entlangglitt. „Klingt logisch.“ Er nickte noch einige Sekunden stumm
weiter, während er überlegte, ob Valerie Baumann wohl auch einmal Freeclimbing
gemacht hatte.
    „Ist sie attraktiv, deine Hauptverdächtige?“ Julie sah
ihn mit leicht gekräuselter Stirn und geneigtem Kopf an.
    „Wie kommst du auf die Frage?“
    „Nur so. Du wirkst so in dich gekehrt.“
    Vidal schüttelte energisch den Kopf.
    „Also nicht attraktiv?“, konstatierte Julie.
    „Doch, doch!“, antwortete Luc und schüttelte noch einmal
den Kopf, als müsse er sich eines Gedanken entledigen. „Wer diesen Typ mag. Ich
habe nur überlegt, ob sie ihre Muskeln wohl auch vom Klettern hat. Wann hast du
aufgehört?“
    „Aufgehört mit was? Freeclimbing?“
    Er nickte.
    „Irgendwann Mitte dreißig. Genau weiß ich das nicht
mehr.“
    „Warum?“
    „Ich hab gemerkt, dass ich abbaue. Ich konnte nicht mehr
so leicht das Gewicht halten. Mir fehlte zunehmend die Zeit zum Training. Meine
Kraft ließ schneller nach, die Ausdauer auch, und dann kann es ganz schnell
gefährlich werden am Berg. Ich bin noch einige Jahre in Hallen geklettert, dann
habe ich damit aber so gut wie gänzlich aufgehört. In Hallen ist es nicht
dasselbe wie am Berg, und du kletterst dort ja auch nie wirklich frei. Der Kick
ist dieser einsame Kampf. Dein nahezu nackter, schutzloser Körper auf der einen
Seite und der Fels auf der anderen. Keine Hilfsmittel, kein Hightech, nur deine
Muskeln, deine Sehnen, dein Wille und deine Konzentration, mit denen du so eine
harte, abweisende Steinwand erklimmst. Das ist schon fast erotisch. Dagegen ist
so eine Kletterhalle absolut abturnend.“
    „Bist du je an dieser Wand geklettert?“
    „Wenn du genau hingesehen hättest, wären dir die Schilder
aufgefallen. An dieser Wand ist das Klettern verboten.“
    „Und daran halten sich Freeclimber?“
    „Wenn es keine Selbstmörder sind, schon.“
     
    Julie rollte Schinkenscheiben auf, schob sie in
Baguettestücke und reichte Luc eines davon. Eine Zeitlang aßen sie schweigend
ihr Picknick. „Glaubst du das mit Hannibal?“, fragte sie schließlich.
    Er zuckte die Schultern. „Möglich ist es schon. Man geht
wohl davon aus, dass er mit seinem Heer bei Châteauneuf-du-Pape die
Rhône überquert hat, dann blieben im Prinzip nur zwei Wege übrig, um weiter
nach Osten zu kommen. Einmal ganz im Norden von Valence über Grenoble
und dann wieder zurück nach Süden, in Richtung Gap. Das wäre aber ein
gewaltiger Umweg gewesen. Oder aber tatsächlich hier entlang und dann über das
Plateau und einen der flacheren Pässe weiter nach Norden. Er wird vermutlich
die Durance -Enge bei Sisteron und die engen Täler der kleinen
Flüsse nördlich von hier gemieden haben. Flüsse waren damals noch völlig
unberechenbar und es gab kaum befestigte Wege. Eigentlich kann nur die Via
Domitia eine geeignete Route gewesen sein, um tatsächlich ein riesiges Heer
mit Unmengen an Personal, Wagen, Viehzeug und sogar Elefanten zu bewegen. Aber
die wird er wohl auch gemieden haben, um so wenig Römern wie möglich zu
begegnen.“
    „Die führt doch hinter diesem Berg entlang?“ Julie drehte
sich um und sah über das Plateau in Richtung der imaginären Route.
    „Zwischen Cavaillon und der Durance stehen sogar
noch Brücken der Via Domitia. Eine überquert etwas abseits unmotiviert einen
Bach und bei Bonnieux war die Pont Julien bis vor kurzem noch ein
ganz selbstverständlicher Bestandteil der Landstraße. Die Jungs haben damals
ganze Arbeit geleistet.“ Er war aufgestanden und begann die Picknickreste im
Rucksack zu verstauen.
    „Ende der Idylle?“
    „Ich traue dem Frieden nicht. Wir sind jetzt schon fast
zwei Stunden unterwegs und es ist noch kein Anruf gekommen. Ich möchte im
Zweifel nicht lange zum Auto gehen müssen.“
    „Glaubst du, dass das Böse keine Sonntagsruhe einhält?“
     Luc sah nachdenklich auf die nördlich gelegenen Hügel
und

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