Grün. Le vert de la Provence
und schienen von geübten Marketingfachleuten und
PR-Schreibern verfasst zu sein.
In einem zweiten Abschnitt glorifizierte Seefelder dann
die Leistungen der Biotechnologie, betonte ihr verantwortungsvolles Handeln
gegen Hunger, Krankheit und soziales Elend – den Geißeln der Menschheit.
Schließlich kam er zu dem scheinbar nebensächlichen Thema der
Handlungssicherheit für Unternehmen und politisch Verantwortliche. Er
skizzierte kurz die Notwendigkeit von patent- und urheberrechtlicher
Absicherung und lobte Entscheidungen amerikanischer Gerichte, aber auch
europäischer Institutionen, die dies im Interesse der Weltbevölkerung
gewährleisteten.
Nichts an diesem Werk schien Anselm zu Eds Absicht zu
passen, das Wissen über die Wirkung von Pflanzen als Kulturgut der
Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen, wie es der Antiquar in Avignon
angedeutet hatte. Er konnte sich auch keinen Reim daraus machen, warum dieses
Buch überhaupt bei Baumann erschienen war.
Erneut versuchte er bei Thomas Engler mehr Informationen
zu erhalten. Engler hatte immerhin binnen weniger Minuten die Handynummer von
Baumanns Tochter herausgefunden, was offensichtlich selbst während des Joggens
für ihn kein Problem gewesen war. Anselm hatte dann aber bei mehreren
Versuchen, Nora anzurufen, stets nur den Anrufbeantworter erreicht, der nicht
einmal die Möglichkeit offerierte, eine Nachricht zu hinterlassen. Engler würde
vermutlich auch über Seefelder hinreichende Informationen erlangen können,
vielleicht sogar dessen Adresse in der Provence. Aber Engler blieb bei diesem
Anruf unerreichbar.
Es gab die vage Chance, dass sich der Eintrag in Eds
Terminkalender auf Seefelder bezog: „CS Rue Cardinale“. Wenn ja, konnte das
noch ein Zufall gewesen sein, dass Valerie in Aix war, als Ed starb? Valerie
und Seefelder? Ergab das ein Bild? War das der Schlüssel zu allen
Ungereimtheiten, die sich in den vergangenen Tagen aufgetan hatten?
Anselm entschied sich spontan, umgehend nach Aix zu
fahren, ohne auch nur annähernd zu wissen, was er dort eigentlich unternehmen
wollte und was ihn erwarten würde, wie er sich Seefelder nähern könnte und was
von dem Mann zu erfahren sei. Aber Aix war ein real erscheinender Faden in dem
Knäuel von vagen Hinweisen und schemenhaften Bildern, die sich ihm in den
vergangenen Tagen eröffnet hatten. Es war ermüdend geworden, einer Frau
hinterher zu spionieren, von der es lediglich das unscharfe Abbild auf einem
schlechten Foto gab und deren Vornamen er kannte. Es gab nicht einmal konkrete
Erkenntnisse, in welchem Zusammenhang sie tatsächlich mit Ed, seinen
Aktivitäten in der Provence und seinem Tod stand. Zumindest für ihn nicht.
Pauline, die scheinbar von vielen gekannt, aber mit niemandem konkret bekannt
war, gab weiterhin Rätsel auf.
Die Autobahn von Avignon nach Osten hatte ihn im
monotonen Verkehrsfluss durch den ausgedörrten Süden Frankreichs geführt. Der
dunkle Rücken der Montange du Luberon tauchte in der Distanz auf und
rechts, dicht an der Autobahn, der scharfkantige Abriss der Alpilles ,
dominiert vom Kloster Notre Dame de Beauregard , dem mystischen Ort auf
dem äußersten Rand des Felsen hoch über dem Durance-Tal.
Anselm war, in Gedanken verloren, unmerklich, aber
beständig schneller geworden, meist auf der linken Spur, bis ein Verkehrsinformationssystem,
das die Fahrbahn überspannte, abrupt die Information wechselte und „trop vite
HH AB“, gefolgt von einer Ziffernfolge, anzeigte. Er hatte einige Sekunden
benötigt, um zu begreifen, dass dies sein Kennzeichen gewesen war und er „zu schnell“
fuhr. Seine digitale Spur zeugte von diesem Moment an davon, dass er mit
überhöhter Geschwindigkeit durch Frankreichs Süden in Richtung Marseille
unterwegs war.
Am Flughafen Marseille-Provence war er von der Autobahn
abgebogen und hatte sich kurz im Industriegebiet Seefelders französischen
Firmensitz angesehen. SBT – Seefelder Biotechnology France stand in schlichten
Buchstaben an dem unscheinbaren, aber gut gesicherten dreigeschossigen
Verwaltungsgebäude. Hatte er mehr erwartet? Kaum! Das Kloster auf dem Alpilles
barg vermutlich größere Geheimnisse als dieser Bau.
Er war am nächsten Kreisel in Richtung Aix abgebogen, das
bei seiner Ankunft unter dem Ansturm von Touristen barst. Nach ermüdendem Stau
in den engen Einfallstraßen und noch engeren Gassen des Zentrums erreichte er
schließlich die Place de la Rotonde und eine Zufahrt zur Tiefgarage an
der Avenue des
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