Grün. Le vert de la Provence
verfallen.“
„So sehen viele hier aus. Eine Brennstelle, eine uralte
metallene Destillationsblase, löchrige Bruchsteinmauern, ein notdürftiges Dach,
ein Schornstein. Es gibt modernere, die sind dann wahrscheinlich auch effizienter.
Aber es geht hier wohl kaum um ein größeres Maß an Wirtschaftlichkeit, da wären
die Chinesen vermutlich deutlich im Vorteil, denn die bauen mittlerweile auch
Lavendel an. Die Destille gehört übrigens auch Alain, er hat eine ganze Reihe
von Lavendelfeldern hier oben. Das macht ihn nicht reich, aber ich glaube, es
macht ihn glücklich.“
Endlose Reihen abgeernteter Lavendelsträucher überzogen
in monotonem Gleichmaß die sanften Wellen der ausgemergelten Hochebene,
dazwischen ragten vereinzelt niedrige runde Hütten aus flachen, ohne Mörtel
geschichteten Steinen auf. Manche waren eingefallen, andere in einem passablen
Zustand. „ Bories “ , erklärte Valerie, als sie Anselms Blick
folgte.
„Sehen geheimnisvoll aus. Irgendwie unheimlich! Wozu
dienen die?“
„Sind typisch für die Region hier. Dienten als
Lagerstätte oder als Unterkünfte für Hirten und als Unterstände fürs Vieh.“
„Merkwürdig gebaut!“ Anselm sah noch einmal zu einem
dieser kleinen Rundbauten.
„Simpel und genial eben. Das sind alles Trockenmauern.
Konnten von der einfachen Landbevölkerung ohne zusätzliche Hilfskonstruktion
aufgeschichtet werden. Ich glaub, das Konstruktionsprinzip heißt
Kraggewölbetechnik.“
Alains Hof wirkte auf Anselm auch bei seinem zweiten
Besuch so verwahrlost und entseelt wie beim ersten. Er hatte in einem
deutlichen Abstand zum Haus gehalten und den Rover gewendet, bevor sie
ausstiegen. Entfernt blökten Ziegen und Hunde bellten, sie kamen aber dem Klang
nach nicht näher.
„Sieht verlassen aus!“, sagte Anselm.
„Mhh!“ Valerie sog laut die Luft ein. „Riechst du was?“
„Gekokel. Wie angebrannte Würstchen am Lagerfeuer.“
„Aber ich sehe kein Feuer. Siehst du was?“
„Nee.“
Valerie formte die Hände zu einem Schalltrichter und
brüllte in Richtung des Hauses „Alain! Alain, ich bin es, Valerie. Komm doch
mal raus!“
Die Stille war absolut. Nicht einmal ein leises Raunen im
Blattwerk der sommertrockenen Bäume war in der unmittelbaren Umgebung des
Hauses zu vernehmen.
„Klingt nicht gut!“, sagte Anselm.
„Klingt gar nicht! Hat was von Grabesstille.“
„Ich hab da ein richtig beschissenes Gefühl!“
„Ich auch!“
„Gehen wir rein?“
„Wegzufahren, ohne zu gucken, wäre doof, nicht wahr?“
„Ziemlich!“
„Holen wir die Flinte aus dem Rover?“
„Wirkt irgendwie albern!“ Anselm zog seine Unterlippe in
den Mund und rieb mit den Zähnen daran. „Aber, wenn ich mir das recht überlege,
lieber albern, als so ganz unvorbereitet.“
Sie holten die Waffe und gingen zögerlich auf die Tür des
Hauses zu. Mit jedem Schritt wurde der Brandgeruch intensiver. Es war ein
kaltes, schneidend würziges Aroma, das ausschließlich von natürlichen Stoffen
auszugehen schien. Holzbrand, organische Substanzen, Fette, Stoffe, Fleisch.
Die Tür, die unter dem Vordach in die Küche führte, war geschlossen. Entlang
der Zarge hatte sich unregelmäßig Ruß durch die Spalten und Ritzen nach außen
verbreitet und einen schwarzen Schleier um die Türfüllung gelegt. Valerie legte
zögernd ihre Hand an die Tür, prüfte den Luftaustritt und führte einen Finger
vorsichtig an das Metall der Türklinke. „Warm“, sagte sie, „aber nicht heiß.“
Sie lauschten angestrengt, konnten aber weder menschliche
Laute noch Geräusche, die von einem Feuer stammen könnten, aus dem Inneren des
Hauses wahrnehmen.
„Geh am besten zur Seite“, sagte Anselm, „ich mach
vorsichtig die Tür einen Spalt auf, wenn es da drinnen noch brennt, könnte eine
Stichflamme herausstoßen.“ Er zögerte noch einen Moment. „Haben die mit Gas
gekocht? Dann könnte es nämlich sein, dass in dem Moment, wo wir die Tür
öffnen, eine richtig schöne Explosion die Hütte in Schutt und Asche legt und
wir beide hier weggeblasen werden.“
Valerie schüttelte den Kopf. „Nee! Soweit ich mich
erinnere, gibt es nur einen Holzofen.“
„Sicher?“
„Wenn Alain einen Gasherd angeschafft hätte, wüsste ich
das.“
Anselm atmete tief durch, drückte die Klinke herab und
öffnete millimeterweit die Tür, verharrte kurz und schob sie dann ganz auf.
Der Brandherd hatte in der Küche gelegen. Ein
Schwelbrand, der langsam alle brennbaren Substanzen im Umfeld
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