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Grün. Le vert de la Provence

Grün. Le vert de la Provence

Titel: Grün. Le vert de la Provence Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Burger
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das
Klischeebild einer Hexe erschienen war, schmuddelig, garstig und ein schier
unverständliches Provençal nuschelnd. Die Frau hatte stets ein Unbehagen bei
ihr ausgelöst und sie immer zu möglichst großer Distanz veranlasst. Sie
schüttelte energisch den Kopf. „Nein, das war hier kein Unfall! Die Alte lebte
seit Anbeginn aller Zeiten so wie jetzt. Da geht es einem in Fleisch und Blut
über, nichts Brennbares auf oder nahe einer Feuerstelle liegen zu lassen.
Außerdem hätte Alain wohl noch hier sein müssen, als das Feuer in der Küche
ausgebrochen ist. Das alles sieht für mich nicht wie ein Unglück aus.“
    „Sondern?“
    „Ich bin mir ziemlich sicher, dass da jemand nachgeholfen
hat.“
    „Vielleicht Monsieur Tramier?“
    „Der war an die Alte so gewöhnt wie an seinen zahnlosen
Mund. Wenn er sie hätte loswerden wollen, wäre das bereits vor Jahren geschehen
und kein Mensch hätte sich darüber Gedanken gemacht.“
    „Wie lange kennen Sie ihn schon? Und wie gut kennen sie
ihn? Er ist ihr Gärtner. Sie sehen ihn hin und wieder, wenn Sie in der Provence
sind. Da bleiben vielleicht einzelne Facetten in der Persönlichkeit eines
Menschen verborgen.“
    Wieder schüttelte sie den Kopf. Diesmal zeigte sie
deutlichen Ärger. „Quatsch! Alain gehörte vom ersten Tag an zu unserem Haus. Er
war schon dort tätig, als mein Schwiegervater es gekauft hat. Alain und das
Haus gehören zusammen. Er ist nicht unbedingt der Mann, mit dem ich abends am
Kamin plaudern wollte, aber ich kenne ihn durch und durch. Mein Mann und er
waren enge Vertraute und mein Schwiegervater und er waren es sogar im ganz
besonderen Maße. Wenn an Alain irgendetwas nicht stimmen würde, wüsste ich es.
Da können Sie sicher sein.“
    „Was hat Alain dort gemacht, als Ihr Schwiegervater das
Haus gekauft hat?“
    „Er hat gegärtnert“, mischte sich Anselm in das Gespräch
ein, „sein Vater hat das ebenfalls gemacht, sogar schon vor dem Zweiten
Weltkrieg. Das hat er mir zumindest erzählt“.
    „Und wem gehörte das Haus zu der Zeit?“
    „Einer Pariser Familie, sagte mir Alain. Die kamen wohl
nur einmal im Jahr hierher und haben dann für ein ganzes Jahr im Voraus bezahlt.“
    „Vor dem Zweiten Weltkrieg?“ Vidal rieb sich mit dem
Zeigefinger über den Nasenrücken. „Außergewöhnlich! Und ab
neunzehnhundertvierzig? Hat Alains Vater da auch den Garten versorgt? Ich
meine, es wird kaum so einfach möglich gewesen sein, vom besetzten Paris aus
hierher zu reisen.“
    „Alains Vater hat wohl weiter den Garten versorgt“, sagte
Valerie. Sie stockte für einen Augenblick und senkte den Blick zu Boden, als
würde ein Gedanke eine unangenehme Erinnerung wecken. „Während der
Besatzungszeit sollen auch Deutsche in dem Haus gewesen sein. Wehrmacht oder SS
oder Gestapo. Ich weiß das nicht so genau. Ich weiß nur, dass die sich in dem
Haus breitgemacht haben. Mein Schwiegervater hat das Haus zu der Zeit
kennengelernt. Er war als ganz junger Soldat hierhin abkommandiert worden und
weil er exzellent Französisch sprach, hat man ihn öfter für
Dolmetschertätigkeiten eingesetzt.“
    Vidal pfiff leise durch die Zähne und betrachtete erst
Valerie, dann Anselm und dann die verwahrloste Bergerie, aus der die Feuerwehr
gerade die tote alte Frau heraus trug. „Wissen Sie noch weitere Einzelheiten
über das, was Ihr Schwiegervater in der Zeit hier gemacht hat? Ich meine, bei
welchen Gelegenheiten hat er als Übersetzer agiert? Und für wen? Was sollte er
dolmetschen?“
    Valerie sah ihn ratlos an. „Ich glaube, das hat mein Mann
auch versucht, herauszufinden.“
    „Und Alains Vater?“, fragte Vidal, „hat der ihren
Schwiegervater auch während der Besatzung hier kennengelernt?“
    „Ich denke schon. Ich habe mich da aber nie recht zu fragen
getraut. Ich meine, mein Schwiegervater war ein wunderbarer Mann. Ich konnte
mir nicht vorstellen, dass er hier in üble Geschichten verwickelt war. Er war
Soldat, klar, aber da hatte ja keiner der jungen Männer eine Wahl gehabt. Aber
er war kein Nazi gewesen. Ich glaube, deren ganze Ideologie hat ihn angekotzt.
Aber man weiß natürlich nicht, was Menschen in Kriegssituationen machen. Ich
habe deshalb lieber seine Zeit hier in Frankreich ausmeinem Nachdenken
ausgeschlossen. Vielleicht war das ein Fehler. Aber wir haben in meiner eigenen
Familie auch nie über diese Zeit gesprochen. Ich weiß nicht, was meine Eltern
konkret gemacht haben, nachdem die Deutschen auch diesen Teil von Frankreich
besetzt

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