Grün. Le vert de la Provence
Mann wurde auch nicht
ermordet, sondern ist vermutlich beim Geschlechtsverkehr gestorben. Ziemlich
bizarr das Ganze.“
Guillaume zog die Augenbrauen hoch und fixierte Luc
ungläubig. „Wie hat der das hingekriegt?“, fragte er grinsend.
„Er hat Potenzmittel genommen und es dann übertrieben,
war herzkrank und mit Anfang sechzig auch nicht mehr in der Jugendliga.“
„Mein Gott, die arme Frau. Wie muss man sich fühlen, wenn
man seinen Mann zu Tode liebt?“
„Es war nicht die arme Frau, sondern eine junge
Gespielin, ein hübsches Flittchen. Sie haben in seinem Haus hier in der
Provence dermaßen gevögelt, dass es ihn schließlich zerlegt hat, währenddessen
die Gattin ahnungslos in Aix weilte.“ Vidal sah an Guillaumes zuckenden
Mundwinkeln, dass dessen taktvolle Anteilnahme dramatisch abnahm. Das Kinn des
Alten vibrierte, während die aufeinandergepressten Lippen zu zittern begannen
und die blitzenden Augen feucht wurden, bis er schließlich die Contenance
verlor und dröhnendes Lachen aus ihm herausbarst, das begleitet wurde von einer
Tränenflut, während er sich vergeblich darum bemühte, die Fassung
zurückzuerlangen und eine dem tragischen Umstand mehr geziemende Reaktion zu
zeigen. Vidal hatte Mühe, sich nicht durch Guillaumes Gelächter anstecken zu
lassen.
„ Merde! Eine solche Geschichte habe ich wirklich
noch nicht gehört!“ Guillaume hatte die Brille abgenommen und wischte sich die
Augen trocken. „Ich weiß, es ist unziemlich, über den tragischen Tod eines
Menschen zu lachen, aber dass jemand beim Fremdgehen am Bumsen stirbt, ist
schon irgendwie kurios.“ Er schüttelte energisch den Kopf und zog ein
Taschentuch hervor, um laut zu schnäuzen. Dann holte er tief Luft und fand zu
der Ernsthaftigkeit von Vidals Anliegen zurück. „Aber jetzt sag mir mal, wo da
der Zusammenhang mit vierundvierzig liegen soll?“
„Da gab es zunächst einmal keinen. Der Fall ist auch nur
deshalb bei uns gelandet, weil der Tote nicht in seinem Bett, sondern im Pool
gefunden wurde. Was Fragen aufgeworfen hat, die sich dann allerdings schnell
geklärt haben. Zwei Tage später hatten wir aber einen Mord an einer sehr
hübschen jungen Frau, der uns zunächst unerklärlich schien, bis die
Gerichtsmedizin herausfand, dass der Verstorbene vermutlich genau mit dieser
Frau, nämlich dem besagten Flittchen, Sex hatte, als er starb.“
„Die Tote vom Pass?“
„Genau die. Erschossen, entkleidet und im Wald versteckt.
Ebenfalls eine Deutsche, wie wir mittlerweile wissen. Das konnte kein Zufall
sein, also haben wir nach möglichen Motiven und Zusammenhängen gesucht und
unter anderem bei vierundvierzig einen Aspekt entdeckt, der ein Ansatzpunkt
sein könnte. Keine Spur, kein konkreter Verdacht, aber eine merkwürdige
Konstellation: Der Vater des Verstorbenen war zumindest in den letzten Monaten
der Okkupation als junger Soldat hier stationiert. Und genau über diesen
Zeitraum hat der Junior in den vergangenen Monaten umfangreiche Recherchen
angestellt, Bücher gesammelt, auch Militaria, und Anzeigen aufgegeben, in denen
er Zeitzeugen suchte.
Dann stirbt dieser Mann urplötzlich und zudem noch auf
sehr außergewöhnliche Weise, und kurz darauf werden seine Gespielin und
innerhalb weniger Tage zwei weitere Personen ermordet, die mittel- oder
unmittelbar mit dem Mann in Verbindung gestanden haben. Da kann es eigentlich
nur einen Zusammenhang geben. Als einen Ansatzpunkt haben wir momentan, wie
gesagt, die Zeit im Sommer vierundvierzig und die Recherchen des Deutschen.“
„Ihr habt drei Mordopfer innerhalb von einer Woche, die
alle miteinander in Verbindung standen?“
„Exakt. Dazu noch den toten Deutschen und zwei Vermisste.
Das übersteigt deutlich die Möglichkeit eines Zufalls.“
Guillaume stieß einen leisen Pfiff aus.
„An Niedertracht mangelt es bei diesen Taten nicht“,
führte Luc den Gedanken fort, den Guillaume unausgesprochen mit seinem Pfiff
angedeutet hatte.
„Nur an realen Motiven und überführten Tätern.“ Guillaume
deutete mit dem Zeigefinger auf Vidals Handy, das auf dem Tisch vibrierte:
„Nebenbei, du wirst verlangt!“
„Ich weiß, dein Sohn.“
Wie üblich begann Vidals Partner ohne Begrüßung oder
überflüssige Floskeln direkt mit der Übermittlung der Faktenlage. Vidal hörte
zu, machte gelegentlich Notizen und unterbrach nur zweimal, um Zwischenfragen
zu stellen, aus denen Guillaume keinerlei Informationen gewinnen konnte. „Hast
du eine Karte der Region?“, fragte
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