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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Rassisten, Umweltsünder und deren Schergen gebrannt hat. »Ja«, sagt sie, »er ist tot. Aber seine Hütte gibt’s noch.«
    »Aber wir können doch nicht einfach... Wer wohnt jetzt dort?«
    Sie starrt in die Ferne, zweifellos zerteilt sie mit ihrer chirurgisch verstärkten Sehkraft die einzelnen Haare von Kurt Cobains Locke. »Niemand. Er hat sie E.F.! vererbt, also uns, und als ich das letztemal nachgesehen habe, war niemand dort.«
    »Aber können wir da einfach einziehen, wirklich?«
    »Hast du einen besseren Plan?«
    »Was ist mit Geld, mit Essen? Wir können schließlich nicht von Tannennadeln und altem Laub leben. Ich hab nicht mehr als fünfzehnhundert Mäuse auf der Bank – falls es die Bank überhaupt noch gibt.«
    Und hier ist ihr Lächeln, breit und aufblühend, der Brennpunkt dieses nackten Körpers einer jungalten Lady. »Wir haben ein paar Sachen verkauft«, sagt sie, »April und ich.«
    Ich bin schwer von Begriff. Ich geb’s ja zu. Langsam und verwirrt und alt. »Was für Sachen?«
    Das Lächeln erblüht weiter, bis es leicht zu welken beginnt und sie kurz wegsieht, ehe ihr Blick mich wieder erfaßt. »Och, ich weiß nicht«, sagt sie und nickt dabei in die Richtung von Kurt Cobains Locke, ohne mich aus den Augen zu lassen, »nennen wir sie Reliquien.«
    Die Temperatur muß noch um einige Grade gestiegen sein, als ich wieder zu Chuy hinauskomme. Die Hitze ist wie eine Faust – zwei Fäuste, bamm-bamm, trifft es mich in Brustkorb und Becken, daß ich kaum die Füße heben kann, und eines sage ich euch: der Wind ist keine Hilfe. Er bläst nur mit etwa Stärke 3, nichts im Vergleich zu dem, was uns in den nächsten Monaten bevorsteht, denn dann heizt sich das Land auf und die Stürme pfeifen aus der Wüste herüber, trotzdem ist der Boden beständig in Bewegung, überall kleine Windhosen, heiße Körnchen von aufgewirbeltem Staub verkleben mir die Nase und brennen in der Kehle, und die zerfledderten Bäume schleudern ihre Kronenreste mal hierhin, mal dorthin. Normalerweise würde ich um diese Jahreszeit eine Atemmaske aufsetzen, aber nach dem Mucosa-Fiasko halte ich den Gedanken nicht mehr aus, mir noch mal irgendwas auf den Mund zu pressen (außer vielleicht Andreas süße, samtene jungalte Lippen, und auch das höchstens einmal pro Woche), also spanne ich nur das Gesicht an, kneife die Augen zusammen und stolpere vorwärts.
    Chuy sieht aus wie auf dem Grill gegart. Seine Haut ist voller Pusteln, schlechte Farbe, und die Kleider glänzen dermaßen vor Schweiß, als wären sie in Olivenöl getaucht worden. Er hat es geschafft, vier Pfosten einzubetonieren, einen für jede Ecke des Geheges, das er sich in seinen ruinierten Gehirnwindungen vorstellen kann, aber er hat Probleme mit dem Synthetikbrett, das er an die Pfosten annageln will. Eigentlich weniger mit dem Brett als mit Hammer und Nägeln. Jedesmal, wenn er den Hammer ansetzt, rutscht ihm der Nagel aus den Fingern, und wenn er endlich den Nagel in Position hat, klappt es mit dem Hammer nicht. Das ist das Unkrautgift, dieses Dursban. Ich bin kein Physiologe, aber offenbar führt bei ihm jede große Anstrengung – besonders wenn er dabei schwitzt – zu Fehlzündungen im Nervensystem. Seine Augen rollen wild in den Höhlen, und die Finger spielen ein Arpeggio auf einem zehn Zentimeter langen Nagel, als ich ihm die Hand auf die Schulter lege. »Laß gut sein, Chuy«, sage ich zu ihm.
    Der Nagel ist auf einmal zu heiß zum Anfassen, der Hammer noch heißer, und er läßt beides in den Staub fallen. »Gut sein lassen?« fragt er nach und blinzelt aus der Hocke schräg nach oben.
    Ich sehe ihn nicht einmal an, starre nur auf die versengte Landschaft, von den ramponierten Apartmenthäusern gegenüber dringt der stete dumpfe Lärm von Wiederaufbau herüber, der Wind scheucht Miniaturzyklone herum, kein Lebewesen ist zu sehen, nicht einmal ein Vogel. Ich denke an die toten Löwen (die Kadaver waren verschwunden – ich frage mich, wer von diesen Spezialkommando-Cowboys jetzt wohl ein Löwenfell über der Couch hängen hat), und ich denke an Mac und daran, wie gern er etwas tun wollte für all die häßlichen Tiere da draußen, für die, die keiner lieben will , und ich denke an mich und mein ewig wahnhaftes Weltbild, damals war ich gerade aus dem Gefängnis raus und stellte mir vor, ich könnte etwas tun, etwas erreichen, auch in meinem Alter noch. »Wir sind hier fertig«, sage ich. »Es ist vorbei.«
    Beim Mittagessen am nächsten Tag ist April Wind

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